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November 2018
B304-Ampel in Eglharting

Dicke Luft in Kirchseeon und Ebersberg

Stickoxide und angeordnete oder drohende Dieselfahrverbote in immer mehr deutschen Städten: neben dem Dauerthema Feinstaub beschäftigen diese "Schreckgespenster" aktuell die bundesdeutschen Autofahrer und füllen die Schlagzeilen in den Medien. Die meisten Autofahrer im Landkreis aber denken: das betrifft doch nur Großstädte wie München, bei uns auf dem Lande sind Stickoxide aber doch kein Problem.

Aber ist das wirklich so? Schließlich fahren auf dem Mittleren Ring in München die gleichen Dieselfahrzeuge wie auf den Bundes- und Staatsstraßen im Landkreis, wo zudem auch noch Lkws verkehren, denen die Durchfahrt durch das Stadtgebiet verwehrt ist.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wollte es genauer wissen und ließ vom 1. Juni 2018 bis zum 1. Juli 2018 mit der Unterstützung zahlreicher Bürger und Organisationen in 232 Städten und Kommunen die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid (NO2) messen. Mittels sogenannter Passivsammler die durchschnittliche Konzentration von NO2 in der Umgebungsluft an stark befahrenen Straßen ermittelt.

Passivsammler funktionieren ähnlich wie die früher für die Atemalkoholbestimmung verwendeten Teströhrchen. In ihnen befindet sich eine chemische Substanz, die das NO2 bindet, sobald die Verschlusskappe geöffnet wird. Anders als bei den Alkoholteströhrchen wird die Luft nicht aktiv durch das Röhrchen geblasen, sondern die NO2-Moleküle aus der Außenluft diffundieren langsam durch eine Teflonmembran zu einer Absorberflüssigkeit im Röhrchen. So kann das NO2 über eine längere Periode "eingesammelt" werden.

Um Fehler erkennen zu können, wurden an jeder Messstelle zwei Röhrchen in einem Kunststoffgehäuse mit einer Öffnung von 2 cm Durchmesser für die Messdauer angebracht. Das Messverfahren ist erprobt und kommt auch bei Messungen der zuständigen Behörden zum Einsatz. Da es sehr einfach ist, kann es auch von Laien durchgeführt werden.

Nach der vierwöchigen Messung wurden die Proben an ein anerkanntes Schweizer Analyselabor zurückgesendet und dort ausgewertet. Die ermittelten Messwerte repräsentieren die durchschnittliche Belastung der Außenluft während des Messzeitraums. Nach den bisherigen Erfahrungen der DUH liegt dieser Durchschnittswert nahe am Jahresdurchschnitt.

Nach dem Aufruf im April 2018 erhielt die DUH rund 1800 Zuschriften, aus denen 461 Messstellen ausgewählt wurden. Die Auswahl erfolgte nach der Lage und der umgebenden Bebauung der vorgeschlagenen Messstellen. Ziel war es, die Luftqualität insbesondere in kleineren Städten und Gemeinden zu untersuchen. Denn die 523 offiziellen Messstellen befinden sich in lediglich 151 meist großen Städten und Gemeinden und nur jede zweite Messstelle ist verkehrsnah installiert. Somit gibt es in nur etwa 1 Prozent der 11.092 deutschen Städte und Gemeinden eine verkehrsnahe NO2-Messstelle. Die offiziellen Luftqualitätsdaten geben daher kein vollständiges Bild der tatsächlichen Belastung der Bevölkerung.

Unter anderem wandten sich auch Bürger aus Eglharting und Ebersberg an die DUH und nach Prüfung der Eignung der vorgeschlagenen Messstellen wurden in diesem Sommer die Teströhrchen an der B304 in Eglharting (am Mast der Ampel bei der Jet-Tankstelle, siehe Photo) und an der Eberhardstraße in Ebersberg (nahe "Hasi" hinter dem Rathaus) angebracht. Auf beiden Straßen fahren täglich je ca. 15.000 Fahrzeuge, wobei der Schwerverkehrsanteil in Eglharting mit ca. 7% knapp doppelt so hoch ist wie in Ebersberg.

In Eglharting wurden ca. 38 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter (µg/m3) gemessen, in Ebersberg ca. 26 µg/m3. Diese Belastung ist zwar nicht so hoch wie in einigen kleineren Städten in Oberbayern wie Starnberg (55 µg/m3), Trostberg (50 µg/m3), Dachau (45 µg/m3) oder Freising (44 µg/m3), die sogar den Jahresmittel-Grenzwert für NO2 von 40 µg/m3 überschreiten. Die gemessene Belastung in Eglharting liegt aber nur knapp unterhalb dieses in der europäischen Luftqualitätsrichtlinie festgeschriebenen Grenzwerts, der auch verbindliches deutsches Recht ist.

Stickoxide sind giftig und stark gesundheitsschädlich. Sie schädigen die Lungenfunktion und die Schleimhäute und führen zu Atembeschwerden und Asthma. Kinder, aber auch ältere Menschen und Menschen mit Atemwegserkrankungen sind besonders gefährdet. In neueren Studien wurden Gesundheitsschäden schon ab einer Konzentration von 20 µg/m3 beobachtet; dieser Wert wird sowohl in Eglharting wie auch in Ebersberg überschritten.

In den Bauämtern der Gemeinden und im Landratsamt Ebersberg scheint es aber noch am Problembewusstsein zu fehlen, denn die verkehrsbedingte Stickoxidbelastung spielte bisher bei der Genehmigung von Wohngebäuden und Einrichtungen für Kinder keine Rolle. Nur so ist es zu erklären, dass in Kirchseeon direkt neben der B304 ein "Haus für Kinder" genehmigt wurde und in Kürze fertiggestellt sein wird. In dessen offenen Innenhof werden dann die Kleinkinder weniger als fünf Meter neben der Bundesstraße spielen und ihre Lungen den Abgasen schutzlos ausgesetzt sein.


Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft November 2018. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm

Diese Webseiten werden fortlaufend erweitert und ergänzt.


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