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August 2019 Zweierlei Maß?Die Bemühungen, die Belastungen der Bürger durch die den ganzen Ort längs durchquerende B304 zu mildern, erhitzen die Kirchseeoner Gemüter seit mehreren Generationen. Als die ersten Forderungen nach Entlastung in den 1960er Jahren aufkamen, war es die lokale Geschäftswelt, die der Teilortsumfahrung skeptisch gegenüberstand, weil sie Umsatzeinbussen fürchtete. Sie wurde trotzdem gebaut, weil das tägliche Verkehrschaos im Ortskern keine andere Lösung zuließ.Später lehnten Bürgerinitiativen, Naturschutzverbände oder die Straßenbaubehörden weitere Pläne für großräumige Ortsumfahrungen immer wieder ab. Die heftigen Diskussionen, die 2012 zu einem Bürger- und Ratsentscheid, aber zu keiner Südumfahrung führten, spalten den Ort bis heute. Die vor vielen Jahren eingerichteten Abbiegespuren und Ampelanlagen für ein erleichtertes Einbiegen und Queren der B304 waren neben der Verlegung von sogenanntem Flüsterasphalt die einzigen Verbesserungen, die in den letzten Jahrzehnten erreicht wurden. Forderungen nach Geschwindigkeitsbegrenzungen werden seit den 1990er Jahren wiederkehrend erhoben. Bislang ließ sich die Straßenverkehrsbehörde im Landratsamt Ebersberg aber zu keiner Änderung ihrer ablehnenden Haltung bewegen. Sie war auch nicht bereit, die Ortstafel in Richtung Kirchseeon-Dorf zu verschieben. Die Kirchseeoner verfolgten daher aufmerksam, dass das Landratsamt Ebersberg im letzten Jahr die Lärmbeschwerden einiger Anwohner der neu errichteten Grafinger Ostumfahrung der St2080 zum Anlass nahm, dort eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h anzuordnen. In der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 28.11.2018 wurde dies so begründet: "Ungefähr 200 m östlich der neuen Fahrbahn und damit in der Hauptwindrichtung und noch dazu leicht erhöht liegt der Grafinger Ortsteil Engerloh. Aus Engerloh gab es massiv Beschwerden über eine zu hohe Lärmbelastung durch die neue Straße. Dies ist für uns nachvollziehbar. Wir halten eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus Gründen des Lärmschutzes für zwingend erforderlich." Die Straßenverkehrsbehörde kann nach §45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Straßenverkehrsordnung die Benutzung bestimmter Straßen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm beschränken. Die Verwaltungsgerichte haben inzwischen die Voraussetzungen für solche Geschwindigkeitsbegrenzungen präzisiert. Danach gibt es keine festen Lärmgrenzwerte, ab denen die Straßenverkehrsbehörde handeln müsste; die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung könnten aber als Orientierungspunkte für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze herangezogen werden. Das Verwaltungsgericht Würzburg entschied daher Ende 2018, dass das dort beklagte Landratsamt nach diesen Kriterien über den Antrag eines Bürgers auf Tempo 30 auf einer innerörtlichen Bundesstrasse zu entscheiden habe. Soweit wollte der Kirchseeoner Gemeinderat nicht gehen, als er am 1. April 2019 vom Landratsamt einstimmig die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h "auf der B304 im Bereich Kirchseeon Dorf, beginnend 100 m östlich der Bebauungsgrenze und endend an der Ortseinfahrt von Kirchseeon" forderte. Dabei berief er sich ausdrücklich auf die Anordnung des Landratsamts zur Grafinger Ostumfahrung und bestand auf Gleichbehandlung. Aus der knappen Begründung des Landratsamts in seiner Anordnung zur Grafinger Ortsumfahrung ist nicht ersichtlich, welche Abwägungen es bei seiner Entscheidung angestellt hat. Die Anordnung des Landratsamtes erging, obwohl das Staatliche Bauamt Rosenheim und die Polizeiinspektion Ebersberg nicht zustimmten. Das Staatliche Bauamt Rosenheim sah keinen Anlass für Geschwindigkeitsbeschränkungen, da die Grenzwerte der Lärmvorsorge in Engerloh nicht überschritten seien. Diese Auffassung teilt sie mit der Stadt Grafing, die laut den Unterlagen des Umweltausschusses zu seiner Sitzung von Ende April davon ausgeht, dass die Lärmbelastung in Engerloh weit unterhalb der Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung liegt und daher keine Ansprüche auf aktive Lärmschutzmaßnahmen begründbar wären. Die Polizeiinspektion Ebersberg begründete ihre Ablehnung auch damit, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung von 100 km/h auf 70 km/h den Straßenlärm kaum reduzieren würde, denn die den Gesamtlärm dominierenden Lkws dürften ohnehin nur 60 bzw. 80 km/h fahren. Auf der B304 in Kirchseeon-Dorf fahren täglich 2-3mal mehr Fahrzeuge als in Grafing, auch der Lkw-Anteil liegt hier deutlich höher. Zudem steht die Wohnbebauung sehr nahe an der B304. Die Lärmbelastung ist damit ein Vielfaches höher als auf der Grafinger Ostumfahrung. Nach Auskunft der Straßenverkehrsbehörde im Landratsamt läuft derzeit noch die Anhörung, was auch noch etwas dauern könne. Angeblich soll es noch keine Tendenz für eine Entscheidung geben. Die Kirchseeoner warten jetzt mit Spannung auf die Entscheidung und Begründung des Landratsamts, zumal sich mit den neuen Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation für Umgebungslärm Geschwindigkeitsbegrenzungen sowohl an der B304 wie an der St2080 sachlich begründen ließen. Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft April 2019. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm
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