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April 2023

Lokalzeitungen – einst und jetzt (Teil 1)

Der bayerische Ministerialerlass vom 14. Juni 1859 und das Reichsgesetz über die Presse vom 7. Mai 1874 waren wichtige Schritte zur Beendigung der Zensur in Bayern. Fortschritte in der Drucktechnik und der Ausbau der Eisenbahn- und Telegraphienetze schufen weitere wesentliche Voraussetzungen für das Entstehen einer Massenpresse im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.

Dies ermöglichte 1881 auch das Entstehen des "Ebersberger Anzeiger", der zugleich Amtsblatt des Bezirksamts war. 1922 wurde er in "Der Oberbayer" umbenannt. Nach dem Hitlerputsch am 8. November 1923 wurde die Zeitung wegen Kritik an der Regierung Kahr längere Zeit verboten. Der Herausgeber Schmidle aus Ebersberg entzog sich der strafrechtlichen Verfolgung und Verhaftung durch Flucht. Die entstandene Lücke nutzte im Dezember der Grafinger Verleger Haußer zur Gründung der "Grafinger Zeitung" (erschien vorher unter verschiedenen anderen Titeln), zunächst ein reines Anzeigenblatt.

Die "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933 ("Reichstagsbrandverordnung") und das Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933 führte zum Ende der Pressefreiheit und zur Gleichschaltung der Presse, auch der beiden Zeitungen im Landkreis. Journalisten wurden zwangsweise zu Staatsdienern gemacht, es durfte nur noch das gedruckt werden, was den NS-Machthabern passte. Als dann überall nur noch das Gleiche zu lesen war, gingen verständlicherweise die Abonnentenzahlen zurück und viele Zeitungen mussten aufgeben oder fusionieren.

Mit der Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulationserklärung im Baldhamer Thorak-Ateliergebäude am 5. Mai 1945 durch General Foertsch war das Ende des Deutschen Reiches und des NS-Staats besiegelt. Schon am 12. Mai verfügte die US-Militärregierung mit dem "Gesetz Nr. 191, abgeändert (1)" ein Verbot aller Medien und machte am gleichen Tag mit der "Nachrichtenkontroll-Vorschrift Nr. 1: Kontrolle über Druckschriften, Rundfunk, Film, Theater und Musik" die Herausgabe von Medien von einer Genehmigung abhängig.

Diese sogenannte Lizenzpresse war keine "freie" Presse, denn sie unterlag einer inhaltlichen und organisatorischen Kontrolle durch das US-Militär. Erst mit der "Generallizenz Nr. 3" vom 23. Mai 1949 wurde die Lizenzpflicht aufgehoben und mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am Tag darauf eine weitgehende Pressefreiheit etabliert.

Die erste Lizenz der Militärregierung in Bayern zur Herausgabe einer Zeitung erhielt am 6. Oktober 1945 die Süddeutsche Zeitung, ab diesem Tag erschien sie zunächst dreimal pro Woche. Erst ab den 1970er Jahren gab es eine Ebersberger Lokalausgabe der SZ. Als zweite Zeitung erhielt der Münchner Merkur (damals noch Münchner Mittag genannt) eine Lizenz und erschien erstmals am 13. November 1946.

Die Ebersberger Zeitung, die Lokalausgabe des Merkur, gibt es seit dem August 1948. Die 1949 in Zusammenarbeit mit dem Ebersberger Anzeiger neu gegründete Grafinger Zeitung konnte Verleger Haußer aus wirtschaftlichen Gründen nicht halten und fusionierte im November 1949 mit der Lokalausgabe des Münchner Merkur. Mit wachsender Bevölkerung und mehr Wohlstand stiegen auch die Auflagen der beiden Lokalzeitungen.

Ab den 1960er Jahren informierten auch unregelmäßig erscheinende Informationsblätter der lokalen Parteien. Die SPD verteilte in Kirchseeon den "Hallo Nachbar", im Nachbarort die "Ebersberger Umschau", später Rundschau. Der politische Gegner teilte in der "Information des CSU-Ortsverbandes Kirchseeon", später nur noch als "Bürgerinformation" bezeichnet, und in den Nachbarorten in den "Ebersberger Blätter" und in "CSU Grafing aktuell", später "CSU Grafing informiert" seine Sicht der Dinge mit.

Ab den 1970er und 1980er Jahren kamen – und gingen oft auch wieder - lokale Anzeigenblätter, die in geringem Umfang oft auch redaktionelle Texte zu lokalen Geschehnissen enthielten. Namen wie Hallo, Wochenanzeiger, Südost-Kurier, Münchner Osten, Münchner Wochenblatt, Kurier Ebersberg oder Kreisbote sind den meisten geläufig, weil die Anzeigenblätter kostenlos verteilt werden und daher in den meisten Briefkästen landen. Die Herausgeber waren und sind oft kleinere Verlage, aber auch dieser Markt konnte sich den Konzentrationsprozessen wie bei den anderen Printmedien nicht entziehen.

Da nach Auffassung der Bayerischen Staatsbibliothek Anzeigenblätter als sogenannte Werbedrucksachen nicht unter die gesetzliche Ablieferungspflicht fallen, sind die Geschichte und die Inhalte dieser Anzeigenblätter dort nicht für die Nachwelt erhalten und recherchierbar.

Das bayerische Pflichtstückerecht hat seinen Ursprung in der von Kurfürst Ferdinand Maria 1663 verfügten Ablieferung eines Exemplars jedes in Bayern gedruckten Buches an die Hofbibliothek. Im Jahre 1802 wurde die Ablieferungspflicht auf ein zweites Exemplar ausgedehnt, das zunächst an die Universität Landshut ging und seit einer Ministerialentschließung vom 5. Oktober 1840 - mit wenigen Ausnahmen - je nach Erscheinungsort an die damals bestehenden drei Landesuniversitäten verteilt wurde.

Diese Regelungen zur Pflichtablieferung wurden in Art. 68 des Gesetzes zum Schutze der Urheberrechte an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst vom 28. Juni 1865 und der Bekanntmachung über die Einlieferung von Verlagspflichtstücken vom 29. Januar 1927 fortgeschrieben. Derzeit ist die Ablieferungspflicht im Gesetz über die Ablieferung von Pflichtstücken vom 6. August 1986 geregelt. Doch all das verhinderte nicht, dass wegen Nichtablieferung viele Jahrgänge der Vorkriegszeitungen aus dem Landkreis fehlen und uns wichtige Quellen der lokalgeschichtlichen Forschung.

Fortsetzung siehe im folgenden Monat.


Dieser Artikel ist eine erweiterte Fassung der in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft April 2023, erschienenen Printversion. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm oder auf "Der Oberbayer"




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