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März 2019 Versprochen – gebrochen"Selbstverständlich spricht der Umstand, dass gelegentlich Fernzüge auf den S-Bahn-Gleisen fahren werden, gerade nicht gegen eine Trennung von S- und Fernbahnbetrieb. Denn die Überleitung von Fernzügen über die S-Bahn bei größeren Betriebsunregelmäßigkeiten geschieht nur als Umleitung. Der Planfeststellungsbeschluss enthält hier zu die erforderlichen Aussagen."Diese klare Zusage, dass auf den besonderen S-Bahn-Gleisen zwischen Zorneding und Grafing Bhf. nur bei Störungen, aber keinesfalls planmäßig andere Züge als nur S-Bahnen verkehren werden, machten die Rechtsanwälte der beklagten Bundesrepublik Deutschland am 31. August 1994 im Klageverfahren zum Bau besonderer S-Bahn-Gleise zwischen Zorneding und Grafing Bahnhof gegenüber dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Sie wollten so den Vorwurf der Kirchseeoner Kläger entkräften, dass beabsichtigt sei, die S-Bahn-Gleise regelmäßig auch für den Fernverkehr zu nutzen und dass daher auch an den S-Bahn-Gleisen Lärmschutzmaßnahmen erforderlich wären. Im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss vom Dezember 1993 begründete die damalige Deutsche Bundesbahn die Notwendigkeit des Bau eigener S-Bahn-Gleise zwischen Zorneding und Grafing Bahnhof mit dem Mischverkehr von S-Bahn und Fernverkehr, was zu einer nicht befriedigenden Betriebsqualität der S-Bahn und häufigen Verspätungen führe. Eine Verbesserung des S-Bahn-Angebotes wäre bei Mischverkehr wegen der dichten Streckenbelegung nicht möglich. Um weiteren Attraktivitätsverlusten entgegen zu wirken, solle durch den Bau besonderer S-Bahn-Gleise zwischen Zorneding und Grafing Bahnhof für den restlichen Bereich der S4/6 Ost eine Entflechtung vom Fernverkehr erreicht werden. Heute, 25 Jahre später, wollen Bundesverkehrsminister Scheuer und die DB AG von der damaligen Zusage und den rechtsverbindlichen Festlegungen des Planfeststellungsbeschlusses nichts mehr wissen. Denn beide beabsichtigen, zusätzlich zu den heute rund 140 S-Bahnen täglich künftig planmäßig auch Fernzüge über die zwei S-Bahn-Gleise fahren zu lassen. Im bisherigen Konzept zum Neu- und Ausbau des Brenner-Nordzulaufs (ABS 36) ist nämlich der Bau zweier neuer Gleise nur von Grafing Bahnhof über Rosenheim nach Kiefersfelden vorgesehen - zusätzlich zu den zwei Bestandsgleisen. Im Abschnitt Trudering - Grafing Bahnhof soll auf den Bau zusätzlicher Gleise verzichtet werden, die Fernzüge sollen hier sowohl auf den beiden Bestandsgleisen wie auch im Mischverkehr mit den S-Bahnen auf den besonderen S-Bahn-Gleisen verkehren. Die Wiedereinführung eines Mischverkehrs auf den S-Bahn-Gleisen würde die Betriebsqualität der S-Bahn sicherlich nicht verbessern. Eher werden wohl die Verspätungen zunehmen und die erzielten Attraktivitätssteigerungen zunichte gemacht werden. Angebotsverbesserungen dürften dann kaum noch realisierbar sein. Der Haarer Gemeinderat hat sich daher Ende Januar den Resolutionen der Anrainerkommunen Vaterstetten, Zorneding, Kirchseeon und Grafing zum Ausbau des Brennerzulaufs angeschlossen und sich strikt gegen eine Führung von Güterzügen über die S-Bahngleise ausgesprochen. Nachdem von den Bürgerinitiativen im Landkreis Rosenheim die Erforderlichkeit von Neubaugleisen bestritten wird, wurde vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) eine Studie zu den Verkehrsentwicklungsszenarien 2050 mit Schwerpunkt auf die Entwicklung des Eisenbahngüterverkehrs im Brennerkorridorin Auftrag gegeben. Ende Januar stellte Bundesverkehrsminister Scheuer die Prognosen der Öffentlichkeit vor. Darin kommt der Gutachter Trimode GmbH zu dem Ergebnis, dass bei weiterer Verlagerung der Güterverkehre von der Straße auf die Schiene das Verkehrsaufkommen im Abschnitt Rosenheim - Kufstein auf über 500 Züge pro Tag steigen würde, davon mehr als 400 Güterzüge. Im Abschnitt Trudering - Grafing kämen zu diesen Zahlen noch die S-Bahnen, die Nah- und Fernverkehrszüge nach Salzburg sowie die Nahverkehrszüge nach Rosenheim hinzu – insgesamt weitere rund 200-250 Züge. Das BMVI gibt die Kapazität einer zweigleisigen Strecke mit rund 260 Zügen an, die sich mit ETCS auf rund 320 Züge steigern ließe. Wenn aber die Zahlen des Gutachters auch nur annähernd zutreffen, dann ist der Abschnitt Trudering - Grafing Bahnhof schon lange vor dem Jahr 2050 nicht mehr in der Lage, diesen immensen Zugverkehr auf nur zwei Fernbahngleisen und im Mischbetrieb auf den beiden S-Bahn-Gleisen zu bewältigen. So hat Bundesverkehrsminister Scheuer mit dieser Studie unbeabsichtigt den Nachweis geliefert, dass sein Konzept des Ausbaus des Brenner-Nordzulaufs ungeeignet ist, die verkehrlichen Herausforderungen des Jahres 2050 zu lösen, geschweige denn für die weitere Zukunft. Denn der "Flaschenhals" des Brennerzulaufs liegt im Abschnitt Trudering - Grafing Bahnhof, wo die beengten innerörtlichen Verhältnisse keine zusätzlichen Gleise zulassen, großräumige Alternativen scheinen unausweichlich. Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft März 2019. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm
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