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Juni 2018
Endlose Pkw-Kolonnen auf der B304 durch Kirchseeon

Energiewende im Landkreis (2): Die Mobilitätswende fällt aus

In endlosen Pkw-Kolonnen und dichtgedrängt im ÖPNV bewegen sich Millionen Beschäftigte, Schüler und Studenten täglich zu ihren Arbeits- und Ausbildungsplätzen und zurück zu ihren Wohnungen. Der Landkreis Ebersberg mit seinen rund 140.000 Einwohnern ist darin keine Ausnahme.

Die Bundesagentur für Arbeit gibt in ihrem "Pendleratlas" an, dass mehr als 2/3 der knapp 60.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Landkreis ihren Arbeitsplatz außerhalb der Landkreisgrenzen haben, die meisten davon im Landkreis und der Stadt München. Die höchsten Auspendlerquoten weisen Zorneding (92%), Kirchseeon (89%) und Vaterstetten (89%) auf.

Diese hohen Auspendlerquoten sind Folge von zu wenigen Arbeitsplätzen in den Landkreisgemeinden. Denn selbst wenn die Arbeitsplätze im Landkreis optimal zu den Qualifikationen der dort lebenden Beschäftigten passen würden, könnten nur rund 2/3 dort auch arbeiten. Besonders wenig Arbeitsplätze bezogen auf die Arbeitnehmerzahl gibt es in Kirchseeon (47%), Zorneding (41%) und Grafing (49%). Nur wenige Gemeinden im Landkreis haben mehr Arbeitsplätze anzubieten als es dort sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gibt, u.a. Ebersberg (120%) mit den vielen Behörden und Einrichtungen des Landkreises.

Diese tägliche "Massenwanderung" verursacht nicht nur eine erhebliche Umweltbelastung durch Lärm und Abgase, sondern verbraucht auch enorme Energiemengen – ganz gleich, ob die Fahrt im eigenen Pkw, in Fahrgemeinschaften oder im ÖPNV erfolgt.

Das Landratsamt und der Kreistag haben sich das Ziel gesetzt haben, den Landkreis "bis zum Jahr 2030 frei von fossilen und anderen endlichen Energieträgern" zu machen, "und zwar sowohl für Strom und Wärme als auch für Verkehr und Mobilität".

Die Energieagentur Ebersberg legte dem Kreistag im Juni 2017 ihren "Meilensteinplan zur Energiewende" vor. Darin wird die Meinung vertreten, dass sich die Energiewende im Bereich Verkehr und Mobilität bis 2030 durch die komplette Umrüstung der derzeit rund 80.000 Pkws im Landkreis auf E-Mobilität erreichen ließe. Laut Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes waren am 1.1.2018 im Zulassungsbezirk Ebersberg aber gerade mal 183 E-Pkws angemeldet. Ginge es im bisherigen "Energiewendetempo" weiter, dann würde im Jahr 2030 wohl gerade mal jeder achte Pkw im Landkreis elektrisch fahren.

Es ist ein Rätsel, weshalb der ULV-Ausschuss des Kreistags angesichts dieser deutlichen Diskrepanz zwischen den Ist- und den Sollzahlen der E-Pkws im "Meilensteinplan" dennoch einstimmig beschloß, dass die von der Energieagentur genannten Meilensteine als "zielführend angesehen" werden. Sehr optimistisch gab sich auch der "Klimaschutzmanager" des Landratsamtes, Hans Gröbmayr, als er Ende April zur Zwischenpräsentation des landkreisweiten Elektromobilitätskonzeptes meinte, dass "E-Autos im Aufwind" wären.

Die Mobilität der Landkreisbürger beschränkt sich aber nicht auf die Benutzung des (eigenen) Pkws. Viele Tausende pendeln jeden Tag mit dem ÖPNV, sei es mit dem Bus oder auf der Schiene. Und wenn es nicht an den Arbeitsplatz oder in die Schule oder Universität geht, dann reist der Landkreisbürger mit Flugzeug oder Eisenbahn in den Urlaub.

Diese Mobilität und die dafür benötigten Energiemengen aber ignorieren das Landratsamt und der Kreistag in ihrem "Meilensteinplan zur Energiewende" genau so wie die enormen Energiemengen, die andernorts für die Produktion und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen benötigt werden, die aber von den Landkreisbürgern konsumiert werden. Was sind die vielen teuren Gutachten, die der Kreistag inzwischen für Klimaschutzkonzepte, Energienutzungspläne, Meilensteinpläne in Auftrag gegeben hat, wert, wenn große Energiemengen einfach außer Betracht gelassen werden ?

Zweifel sind angebracht, ob das laufende teure Gutachten für ein Elektromobilitätskonzept für knapp 90.000 EUR daran was ändern wird. Denn der grundlegende Konstruktionsfehler aller Energiewendepläne des Landratsamts und des Kreistags besteht darin, dass die Energiewende nicht umfassend und ganzheitlich angegangen wird.

Am Beispiel der Pendlerverkehre wird dies deutlich: die Fokussierung allein auf die Umrüstung der Pkws auf Elektroantrieb wird kaum etwas an den negativen Umweltauswirkungen der Verkehre ändern. Denn selbst wenn im Landkreis Ebersberg im Jahr 2030 alle Pkws mit Strom fahren würden, gäbe es weiter die tagtäglichen Staus. Und auch der Straßenlärm würde nicht wesentlich weniger werden, denn ab ca. 35 km/h wird das Rollgeräusch zur dominierenden Lärmquelle eines Pkw - denn Elektroautos fahren auf den gleichen Gummireifen wie Benzin- oder Diesel-Pkws.

Ein ganzheitliche Betrachtung würde den Flächenverbrauch, die Zersiedelung und die Trennung von Wohn- und Arbeitsort als das Grundproblem erkennen und raum- und städteplanerisch lenkend eingreifen. Davon ist man im Landkreis aber meilenwert entfernt.


Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft Juni 2018. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm

Diese Webseiten werden fortlaufend erweitert und ergänzt.


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