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November 2016 Digitale RathäuserSpricht Ihre elektrische Zahnbürste neuerdings mit Ihrem Smartphone ? Und bestellt Ihr Kühlschrank auch schon automatisch den Nachschub an Wurst und Käse online im Internet und bezahlt dann per Paypal die Rechnung ?Kaum ein Tag vergeht, an dem uns Bürgern nicht eine bessere Zukunft durch Digitalisierung aller Lebensbereiche versprochen wird. Besonders häufig wird dieses Schlagwort "digital" derzeit von "der Politik" verwendet und da die Bayerische Staatsregierung bekanntlich immer an der Spitze des Fortschritts steht, will auch der zuständige "Heimatminister" Söder dem bayerischen Amtsschimmel digital auf die Sprünge helfen. Bayerisches E-Government-Gesetz Zwar war ihm der Bundestag durch das 2013 beschlossene Bundesgesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung bereits weit vorangeeilt, doch im Rahmen eines von Söder durchgeführten Programms mit dem originellen Namen "Montgelas 3.0" wurde auch ein Bayerisches E-Government-Gesetz (BayEGovG) entwickelt und Ende letzten Jahres vom Landtag beschlossen. Wer nun aber meint, dass er sich den Weg in sein Rathaus in Zukunft ersparen könne, weil ja jetzt alles, was für die Bürger einer Gemeinde wichtig ist, in Internet veröffentlicht würde und jede Kommunikation mit der Verwaltung elektronisch ablaufen könne, der irrt gewaltig. Denn das Ziel der Digitalisierung der bayerischen Verwaltung ist es keineswegs, dem Bürger das Leben zu erleichtern, die Teilhabe der Bürger an den Entscheidungen der politischen Gemeinde zu erleichtern oder gar das Verwaltungshandeln transparenter zu machen; vielmehr soll nur den Verwaltungen die Arbeit erleichtert werden, selbst wenn dies für den Bürger mit einem Mehraufwand verbunden ist. Die "Digitale Dividende" beansprucht die Verwaltung für sich und für den Bürger fällt nur dann was davon ab, wenn es auch der Verwaltung nutzt. Von der "Digitalen Dividende" profitiert nur die Verwaltung So sind die Gemeinden auch künftig nicht verpflichtet, amtliche Bekanntmachungen wie z.B. Tagesordnungen von Gemeinderatssitzungen oder Hinweise auf Öffentlichkeitsbeteiligungen bei Bebauungsplänen im Internet zu veröffentlichen oder gar den Bürger auf Wunsch automatisch per Email oder Whatsapp darüber zu informieren. Der Bürger ist weiterhin gezwungen, regelmäßig ganz analog und zu Fuß die gemeindlichen Bekanntmachungstafeln daraufhin zu kontrollieren, ob die Gemeinde nicht womöglich völlig überraschend auf dem Grundstück neben seinem Haus ein Gewerbegebiet oder ein Fußballstadion plant. Auch künftig wird es keine Internetstreams von Gemeinderatssitzungen geben, weil die Hürden, die der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz aufbaut, so hoch sind, dass sie praktisch nicht überwunden werden können. So befürchtet der Datenschutzbeauftragte, dass sich die Gemeinderatsmitglieder dann nicht mehr unbefangen und spontan äußern würden und malt gar das Schreckgespenst einer Beeinträchtigung der Funktion des Gemeinderats und eines Schadens für die Demokratie an die Wand. Daher bleibt es weiterhin ausschließlich den wenigen Bürgern, die die Gemeinderatssitzungen ganz analog besuchen, vorbehalten zu erfahren, wie blamabel oder schweigsam sich mancher Vertreter des Wahlvolks in den Sitzungen verhält. Gemeinden sind auch weiterhin nicht verpflichtet, alle Anträge von Bürgern (vom Bauantrag bis zur Übermittlung von Wasserzählerdaten) elektronisch anzunehmen – und wenn sie es denn machen, dann ist der Aufwand mit De-Mail, Signatur und Lesegerät für den (digitalen) Personalausweis für den Bürger oft so groß und zudem mit Kosten verbunden, dass es für ihn einfacher ist, ganz analog ins Rathaus zu gehen. Geheimhaltung statt Transparenz Trotz Digitalisierung gilt in der Verwaltung auch in Zukunft der Grundsatz der Geheimhaltung. Daran wird auch der neu eingefügte Art. 36 des Bayerischen Datenschutzgesetzes nichts ändern, mit dem ein allgemeines Auskunftsrecht des Bürgers gegenüber der Verwaltung begründet wurde. Denn dieses Auskunftsrecht bleibt hinter dem der Informationsfreiheitsgesetze, die der Bund und nahezu alle anderen Bundesländer – außer Bayern - bereits seit langem haben, weit zurück. Dieses neue Auskunftsrecht sieht nämlich keine voraussetzungslosen Auskünfte von bayerischen Behörden vor; vielmehr soll der Bürger sein Auskunftsbegehren ausführlichst begründen müssen und nur wenn der Verwaltung die Begründung passt - was der Willkür Tür und Tor öffnet - , kann sie ein paar Informationen herausgeben. Eine ähnliche Willkür zeichnet auch die einzigen beiden Informationsfreiheitssatzungen (IFS) im Landkreis aus: die IFS der Stadt Grafing und die des Landratsamts Ebersberg. Landrat Niedergesäß musste auf Anfrage im Dezember 2015 einräumen, dass bis dahin kein einziger Bürger eine Auskunft auf der Grundlage des IFS begehrte – was nicht verwundert, da das Landratsamt pro Mitarbeiterstunde bis zu 120 EUR und für eine einzige Kopie fünf Euro kassieren will. Bayernweit einmalig ist, dass das Landratsamt auch für die Einsicht in die Sitzungsniederschriften des Kreistags und seiner Ausschüsse Geld sehen will – obwohl die Landkreisordnung in Art. 48 Abs. 2 eindeutig schreibt: "Die Einsicht in die Niederschriften über öffentliche Sitzungen steht allen Kreisbürgern frei." Frei heißt kostenlos, und nicht bis zu 120 EUR pro Stunde, Herr Niedergesäß ! Aber auch die nur drei Anfragen, die an die Grafinger Bürgermeisterin Obermayr seit Inkrafttreten der IFS-Satzung im Sommer 2014 gerichtet wurden, zeugen der abschreckenden Wirkung überhöhter Gebührensätze: als die Stadtverwaltung in einem Fall allein für die Email-Übermittlung von ein paar pdf-Dateien wegen des "nicht unerheblichen Aufwands" 25 EUR verlangte, verzichtete der Bürger dankend. Anders als in anderen Kommunen wie z.B. Grafing, werden dem Kirchseeoner – und neuerdings auch dem Ebersberger - Bürger nicht die (anonymisierten) Sitzungsniederschriften im Internet zur Verfügung gestellt oder dem Bürger auf Anfrage mit wenigen Tastenklicks per Email zugesandt. So wird der Bürger von Bürgermeister Ockel im Kirchseeoner Rathaus trotz digital vorhandener Dateien weiterhin genötigt, die ihn interessierenden Gemeinderats-Sitzungsniederschriften wie zu Zeiten vor der Erfindung des Kopierers und der Digitalkamera von Hand abzuschreiben ... Bürgerfreundlichkeit sieht anders aus. Nachtrag vom 30.11.2016: Der Petitionsausschuß des Bayerischen Landtags entschied am 09.11.2016, dass das Landratsamt Ebersberg und die Gemeinde Kirchseeon der Presse auf Anfrage unter Beachtung der Belange Dritter die Tagesordnungspunkte der nichtöffentlichen Sitzungen des Kreistags Ebersberg sowie des Marktgemeinderats Kirchseeon mitzuteilen haben. Das Landratsamt Ebersberg hatte sich mit den abstrusesten Behauptungen dagegen gewehrt. Der Petitionsausschuß hat weiterhin festgestellt, dass es gleichbehandlungswidrig ist, dass das Landratsamt Ebersberg die Sitzungsunterlagen der Kreistagssitzungen nur an MM-EZ und SZ-ENN gibt und nicht an die Zeitschrift "Der Oberbayer". Das Landratsamt Ebersberg muß diese Sitzungsunterlagen nun auch an die Zeitschrift "Der Oberbayer" weitergeben. Eine Kurzfassung dieses Artikels erschien in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft November 2016. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt.
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