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Mai 2021
Kreuz-auf-Stimmzettel
Bild von Ulrike Leone von Pixabay

Alternativlos?

Noch bis zum 16. Mai können die wahlberechtigten Landkreisbürger per Briefwahl ihre Stimme in einem Bürgerentscheid abgeben, der vom Kreistag initiiert wurde. Doch für oder gegen was sollen die Wähler sich entscheiden?

In der mit über 60.000 EUR aus Steuermitteln finanzierten Werbekampagne der Energieagentur Ebersberg-München gGmbH wird behauptet, dass der Wähler streng "faktenbasiert" informiert werde. Doch wird verschwiegen, dass das Votum des Bürgerentscheids bereits nach einem Jahr wieder durch einen Kreistagsbeschluss geändert werden kann – von einer dauerhaft wirksamen Wählerentscheidung kann daher keine Rede sein. Und ist es – so wie es auf Plakaten, Flyern, Webseiten und in Veranstaltungen suggeriert wird – für die "Rettung des Weltklimas" alternativlos, wenn im Ebersberger Forst exakt 5 Windmühlen (WKA) von nahezu der Höhe des Münchner Olympiaturms gebaut werden? Alternativlos ist jedoch in einer pluralistischen Gesellschaft nichts, zumal wenn man gut begründet auch zu einer anderen "faktenbasierten" Meinung als der Kreistag gelangen kann.

Auf die Frage, die auf den Stimmzetteln abgedruckt ist und die vom Wähler zu beantworten ist, geht die Infokampagne hingegen überhaupt nicht ein. Diese Informationslücke füllt das Bayerische Innenministerium in einer Stellungnahme von Anfang März an den Bayerischen Landtag. Darin stehen so bemerkenswerte Sätze wie "Es wird klar, dass der Landkreis erst im Falle eines positiven Votums in Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern eintritt... Letztlich geht es in dem Bürgerentscheid um die Grundsatzentscheidung, ob der Landkreis überhaupt in diese Verhandlungen eintreten soll oder nicht" und "Die Abstimmungsberechtigten entscheiden nicht darüber, dass der Landkreis auf die Errichtung von fünf Windrädern im Ebersberger Forst hinzuwirken habe, sondern nur darüber, ob der Landkreis die ihm zur Verfügung stehenden grundstücksrechtlichen Möglichkeiten ausschöpft, um überhaupt auf Windkraftanlagen hinwirken zu können."

Ohne jedoch die Entscheidung der Wähler im Mai für oder gegen den Beginn solcher Verhandlungen abzuwarten, führte Landrat Niedergesäß insgeheim bereits Gespräche mit den Bayerischen Staatsforsten und dem Projektbetreiber Green City AG. Und am 15. März 2021 billigte der Kreistag in nichtöffentlicher Sitzung die ausgehandelten "grundstücksrechtlichen" Verträge zur Begrenzung auf max. 5 WKAs. Haben Landrat und Kreistag vorweg Fakten geschaffen, weil sie befürchten, dass sich die Wähler als immun gegenüber der teuren "faktenbasierten" Informationskampagne erweisen und ihr Kreuz an einer anderen Stelle machen würden, als es vom "Stimmvieh" erwartet wird?

Klar ist, dass der Bürgerentscheid aufgrund des voreiligen Handelns von Landrat und Kreistag inhaltlich sinnlos geworden ist. Überflüssig war dieser eigentlich von vorneherein, da die Wähler sich schon längst entschieden hatten. Denn über 99,5% aller Privathaushalte im Landkreis lehnen das "regionale Ökostromprodukt" EBERstrom des EBERwerks und damit auch den Strom aus den heimischen WKAs ab. Statt dessen kaufen sie ihren Strom bei einem der zahlreichen anderen Anbieter am Markt, die selbst 100% Ökostrom preisgünstiger liefern als das EBERwerk. Und der vielgepriesene Erwerb hochriskanter Unternehmensanteile an den WKAs kommt nur für spekulativ veranlagte Energiegenossen im Landratsamt und im Kreistag in Betracht, ist aber zum Sparen für das Alter oder für schlechtere Zeiten ungeeignet, weil ein Totalverlust der Geldanlage immer möglich ist.

Und weil die Pläne der Bundesregierung vorsehen, dass auch im Jahr 2050 noch über 70% des deutschen Primärenergiebedarfs importiert werden muss (und zwar in Form als Wasserstoff statt wie bisher Öl und Gas), geraten die "Energieautarkie"-Beschlüsse des Kreistags immer mehr in den Verdacht, dass es den vielen Energiegenossen an der Spitze des Landratsamts und im Kreistag weniger um das Gemeinwohl oder die "Rettung des Weltklimas", sondern ganz profan um die Maximierung der eigenen wirtschaftlichen Profite als Anteilseigner der Energiegenossenschaften geht.

Die Entscheidung des Kreistags, den Bürgerentscheid ausschließlich als Briefwahl durchzuführen, gefährdet zudem die Integrität und Glaubwürdigkeit des Wahlvorgangs. Denn die Wahlunterlagen werden ohne jede Absicherung an alle Stimmberechtigten verschickt – ob diese nun wählen können, wollen oder nicht. Unzählige Briefwahlunterlagen werden in Altpapiercontainern landen oder in Gemeinschaftswohneinrichtungen herumliegen – zum freien Zugriff für jeden. Nicht mal im Briefwahl-Fälschungsskandal in Geiselhöring/Niederbayern, der vor ein paar Jahren zu einer Wahlwiederholung führte, war es so leicht, unter fremden Namen viele Stimmen abzugeben…

Seit Beginn der Pandemie hat sich der Kreistag mit 14 Beschlüssen in 11 öffentlichen Sitzungen mit dem WKA-Bürgerentscheid befasst. Und obwohl der Gesundheitsschutz eine Pflichtaufgabe des Landkreises (Art. 51 Abs. 2 LKrO) ist und drei Viertel der derzeit rund 170 Corona-Toten im Landkreis in Seniorenheimen starben, widmete sich der Kreistag erst Ende Februar 2021 in der bisher einzigen Sitzung diesem Thema. Landrat und Kreistag machten bei Corona stets nur "Dienst nach Vorschrift", passender wohl "Tod nach Vorschrift", denn regelmäßige Tests bei asymptomatischen Heimbewohnern wurden - trotz vielfacher Aufforderungen an die stv. Landrätin Frau Keller seit dem Frühjahr 2020 - erst Ende Januar 2021 verpflichtend. Da war es aber für die meisten Senioren schon zu spät.

So starben auch der Seniorenbeauftragten des Marktgemeinderats Kirchseeon und Heimfürsprecherin, Natalie Katholing (Grüne), in Kirchseeon reihenweise die Senioren weg, am Ende waren es etwa 20 Tote. Konsequenzen? Wohl keine, denn trotz des immensen Vertrauensverlusts in ihre Arbeit will Frau Katholing offenbar ihre Ehrenämter behalten, ja nicht mal eine Bitte an die Hinterbliebenen um Verzeihung hörte man bislang von ihr.

Die absolute Priorität der Klimapolitik, wie sie von grünen Aktivisten gefordert wird, scheint in diesem Landkreis bereits Realität zu sein: auf Kosten von Menschenleben.




Dieser Artikel ist eine fortgeschriebene Fassung der in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft Mai 2021, erschienenen Erstversion. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm

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