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November 2020
Hallenbad Kirchseeon - Seit Jahren geschönte Defizite
Hallenbad Kirchseeon - seit Jahren geschönte Defizite

Kirchseeoner Zahlenakrobatik

Am 4. Dezember 2000 zeichnete sich das nahende Ende der Ära Ursula Bittners (SPD) als Kirchseeoner Bürgermeisterin ab. Die Gemeinderatsopposition warf ihr an diesem Tag bei der Vorlage des Nachtragshaushalts die aufgehäuften Schulden vor. Mehr noch, der Wortführer der Opposition, der Eglhartinger CSU-Gemeinderat Peter Kohl, kritisierte, dass sie den Haushalt durch fiktive Einnahmen geschönt hätte. Denn nach dem Scheitern der Planungen zur Bebauung des altlastenverseuchten IVECO-Geländes wären die im Haushalt als Einnahmen eingestellten Rückzahlungen für Erschließungskosten nicht einholbar und man dürfe daher nicht damit rechnen. Die Ausgaben wären nicht gedeckt, der Haushalt bräche jetzt "wie ein Kartenhaus zusammen".

Die Opposition stimmte geschlossen gegen den Nachtragshaushalt, aufgrund der Stimmengleichheit war dieser damit gescheitert. Peter Kohl forderte zudem erneut - wie schon die Jahre zuvor - die Einrichtung einer Sparkommission, die sich mit Einsparungen beim Schwimmbad, beim Wasserwerk, den gemeindlichen Wohnungen und anderen defizitären Einrichtungen befassen sollte.

Was hat das alles mit heute zu tun?

Während die "Luftbuchungen" des Nachtragshaushalts 2000 "nur" etwa 1,5 Mio. DM betrugen, enthielt der in diesem März vom Kirchseeoner Gemeinderat einstimmig beschlossene Haushalt 2020 fiktive Einnahmen von 10,5 Mio. EUR aus einem geplanten Teilverkauf des im Jahr 2018 erworbenen ehemaligen Bundeswehr-Geländes. Das wurde offenkundig, als Bürgermeister Jan Paeplow, kaum dass er den Haushalt am 15. Juni 2020 unterzeichnet und öffentlich bekannt gemacht hatte, im September einen Nachtragshaushalt vorlegen musste. Darin wurden diese fiktiven 10,5 Mio EUR wieder gestrichen. Weitere Schulden in Höhe von 8 Mio. EUR (!) mussten zur Deckung der Ausgaben gemacht werden - "Corona" lieferte dafür eine passende Ausrede.

Zweifel sind angebracht, ob diese erhofften 10,5 Mio. EUR überhaupt jemals in die Gemeindekasse fließen werden. Denn ausweislich des Haushaltsplans hat die Gemeinde für das 17.675 qm große Grundstück der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) rund 6,5 Mio EUR bezahlt. Auf die rund 10.000 qm, die die Gemeinde an die Arbeiterwohlfahrt (AWO) verkaufen will, entfallen damit etwa die Hälfte des Kaufpreises.

Ist es daher realistisch zu glauben, dass die AWO für ein Grundstück, das baurechtlich als Sondergebiet eingestuft ist und auch entsprechend bewertet wird, den Quadratmeterpreis für Wohngrundstücke und damit mehr als das Doppelte des Einkaufspreises zahlen will – und vor allem haushaltsrechtlich darf? Und bedenkt man die Feststellungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags im Gutachten WD7-3000-35/17, wonach die BImA "durch vertragliche Vereinbarungen mit der Erwerberin dafür Sorge zu tragen [hat], dass die BImA an Wertsteigerungen des Grundstücks, die in einem Zeitraum von bis zu 20 Jahren nach Vertragsschluss auf der Grundlage baurechtlicher Veränderungen beruhen, beteiligt wird"?

Nachdem Peter Kohl nach längerer Abstinenz nun wieder im Gemeinderat sitzt, wollten wir von ihm wissen, ob er denn angesichts solcher Lücken im Haushalt wieder eine Sparkommission mit externen Fachleuten fordert, so wie schon vor 20 Jahren. Bis Redaktionsschluss haben wir leider keine Antwort erhalten – vielleicht deshalb, weil es seine eigene Partei und ein CSU-Bürgermeister waren, die in den letzten drei Perioden einen dreimal so hohen Schuldenberg anhäuften wie einst "Uschi" Bittner von der SPD?

Gründe für eine solche Sparkommission nicht nur für das Hallenbad gäbe es jedenfalls genug. Denn dort sind die Personalkosten seit dem kürzlichen Weggang von Herrn Puls stark gestiegen. Zudem werden die Sachkosten seit 2008 durch eine "kreative Buchführung" schöngerechnet. Eine "geniale" Maßnahme zur Kosteneinsparung bestand darin, dass man Stromzähler des Schwimmbads auf die Schule "umetikettierte". Das Hallenbad weist dadurch einen ungewöhnlich niedrigen Stromverbrauch auf - während jener der Schule außergewöhnlich hoch ist, was die Verfasser des "Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts" für Kirchseeon im Jahr 2012 in Erstaunen versetzte: "Der Stromverbrauch liegt in etwa um den Faktor 8 über dem vergleichbarer Schulen."

Da das noch nicht reichte, verzichteten die "Zahlenjongleure" im Rathaus darauf, die kalkulatorischen Kosten (kalkulatorische Zinsen und Abschreibungen) für die vielen Umbauten, Erneuerungen und Renovierungen des Schwimmbads und des Gebäudes – so wie im kommunalen Haushaltsrecht vorgeschrieben - als Kosten auszuweisen. Das wahre Defizit des Hallenbads dürfte daher 30-50% höher liegen als offiziell ausgewiesen.

Angesichts solcher Tricksereien ist es dann auch schon egal, dass das Gymnasium Kirchseeon und einige Vereine nicht dazu beitragen wollen, durch Benutzung des gemeindlichen Hallenbads dessen Defizit etwas zu verringern – sie gehen lieber zum Konkurrenzhallenbad im Berufsförderungswerk an der Moosacher Straße.


Dieser Artikel ist eine fortgeschriebene Fassung der in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft November 2020, erschienenen Erstversion. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm


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