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Juli 2021
Markierungstafel OMV Pipeline
Markierungstafel der OMV-Pipeline

Prinzip Hoffnung

Nur wenige kennen sie, denn wer nicht ganz besonders aufmerksam durch den nördlichen Ebersberger Forst geht oder fährt, der sieht nichts von ihr. Und das, obwohl sie sich seit sechs Jahrzehnten dort befindet und angesichts ihrer Größe eigentlich unübersehbar sein sollte.

Die Rede ist von der fast durchwegs unterirdisch verlegten 8-Zoll-Rohrfernleitung der Firma OMV Deutschland GmbH (OMV), über die seit 1967 Heizöl, Diesel und Kerosin aus der Raffinerie in Burghausen in das Tanklager Feldkirchen gepumpt werden. Von der Pumpstation im Norden Steinhörings aus führt die Pipeline bei Thailing in den Ebersberger Forst, quert die St2086 bei der Sebastianssäule und folgt dann dem Forstweg entlang des Maureranger-Geräumts. Im Westen verlässt sie den Forst bei Obelfing, unterquert dann Sepp Maiers Tennispark und verläuft im Zickzack zum Tanklager Feldkirchen. Von dort wird seit 1991 über eine Ergänzungsleitung Flugzeugkerosin direkt zum Flughafen im Erdinger Moos gefördert.

Raffinerie und Pipeline wurden einst von der Deutschen Marathon Petroleum GmbH errichtet, die 1987 von der Österreichischen Mineralölverwaltungs AG übernommen wurde.

Im Forst zeigen nur die zumeist in Sichtabstand aufgestellten Trassenpfähle mit Hinweisschildern sowie eine schmale Schneise seitlich des Wegs den Verlauf der Pipeline an, neben der über weite Strecken auch die Ferngasleitung E11 der Stadtwerke München liegt.

Von Anbeginn an gerieten die Pipeline, die Pumpstationen und das Tanklager alle paar Jahre wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Schon 1968 liefen aus dem Tanklager in Feldkirchen rund 300 Kubikmeter Heizöl in einen nahen Baggersee und entzündeten sich. 1986 wurde von "Anarchistischen Zellen" der RAF ein Brandanschlag auf eine Pumpstation in Soyen am Inn verübt, mindestens 500 Kubikmeter Treibstoff sollen ausgelaufen und verbrannt sein. 2005 wurde in Kirchheim die Pipeline vom Tanklager Feldkirchen zum Flughafen durch unsachgemäßes Arbeiten beim Errichten einer Spundwand beschädigt und es flossen bis zu 30 Kubikmeter Kerosin in den Boden und in das Grundwasser. Zuletzt erlangten die "Steinhöringer Brummtöne", die in Zusammenhang mit der Pipeline, dem dortigen Tanklager und der Pumpstation gebracht werden, bundesweite "Berühmtheit".

Nach einer Auflage aus dem 2007 unbefristet ergangenen Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern (ROB) hat die OMV sicherzustellen, dass die Leitungstrasse wöchentlich kontrolliert wird. Dafür kann auch ein Hubschrauber eingesetzt werden, sofern damit "die für die Beurteilung der Sicherheit der Anlage notwendige Überwachung durchgeführt werden kann." So stellte eine Hubschrauberbesatzung fest, dass auf der Trasse im Ebersberger Forst von einer Fremdfirma Probebohrungen durchgeführt wurden – und das ausgerechnet im Auftrag des Landratsamtes Ebersberg. Nach der Landung auf einer nahe gelegenen Lichtung wurde die umgehende Einstellung der Arbeiten veranlasst.

Für die Überwachung des trassennahen Baumbestandes, dessen Wurzeln die Pipeline beschädigen könnten, sind aber Befliegungen offenbar ungeeignet. Denn erst nachdem die ROB auf trassennahe hohe Bäume aufmerksam gemacht worden war, wurden diese im November/Dezember 2020 gefällt, darunter auch eine ca. 60 cm dicke Buche in unmittelbarer Nähe der Leitung.

Mangelndes Gefahrenbewusstsein scheint nicht nur bei der OMV, sondern auch bei der Jägerschaft vorhanden zu sein. Denn in einem Technischen Bericht des TÜV Süd an die ROB schreibt dieser Ende März 2021, dass bei Trassen-km 13,127 mehrere Obstbäume als Jungpflanzen im Schutzstreifen festgestellt wurden. Mit dem dafür verantwortlichen Jagdverein sei der vollständige Rückbau vereinbart worden. Inzwischen wurden die Obstbäume umgepflanzt.

Innerhalb des Ebersberger Forsts durchquert die OMV-Pipeline das Trinkwasserschutzgebiet (WSG) für den Brunnen III von Markt Schwaben und verläuft nahe an den WSG von Forstern und Hohenlinden vorbei. Die Auswirkungen einer Leckage für die Wasserversorgung dieser Gemeinden wären dramatisch. Denn in der Pipeline werden bis zu rund 300 Kubikmeter Kraftstoff pro Stunde bei einem Druck von bis zu 70 bar von Steinhöring nach Feldkirchen gepumpt. Dieser rund 25 km lange Abschnitt hat keine zusätzlichen Absperrventile, im ungünstigsten Fall könnten daher bis zu rund 800 Kubikmeter auslaufen.

Zwar beteuern die OMV und die ROB die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Leckerkennung, Zweifel an einer frühzeitigen und umfassenden Erkennung aber bleiben. Denn mit dem "Mengenvergleichverfahren" und dem "Druckfallverfahren" würden zwar größere Leckagen rasch erkannt werden. Kleinere Leckagen unter 3 Liter/Stunde bleiben aber auch dem "Druckdifferenzverfahren", das halbjährlich durchzuführen ist, verborgen. Und ob ein Lecksuchmolch oder das Leckortungssystem solche kleinen Leckagen überhaupt entdecken kann, ist bis heute unklar.

So muss der Wasserrechtsantrag von Markt Schwaben für den Brunnen III aus dem Jahr 2018 das Prinzip Hoffnung bemühen: "Die Fließzeit des Grundwassers aus dem Bereich der Fernleitung bis zum Erreichen des Brunnen III der Marktgemeinde Markt Schwaben beträgt ca. 2 Jahre. Es ist also davon auszugehen, dass ein möglicher Schadensfall rechtzeitig erkannt wird und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können."


Dieser Artikel ist eine fortgeschriebene Fassung der in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft Juli 2021, erschienenen Erstversion. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm

Diese Webseiten werden fortlaufend erweitert und ergänzt.



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