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November 2017
Hallenbad Kirchseeon

Land unter bei den Schwimmbädern ?

Das Gesundheitsamt Ebersberg, dem die hygienische Überwachung der öffentlichen Schwimmbäder obliegt, zählt auf seiner Internetseite zehn Bäder auf (ohne Naturbäder wie den Steinsee oder den Klostersee). Im Landkreis teilen sich damit rechnerisch rund 14.000 Einwohner ein Schwimmbad. Diese Schwimmbaddichte entspricht etwa derjenigen in den anderen Landkreisen im „Speckgürtel“ rund um München. Hingegen müssen sich in der Stadt München jeweils rund 75.000 Einwohner eines der 19 städtischen Hallenbäder teilen; diese sind allerdings durchwegs deutlich größer als die im Landkreis.

Der Betrieb eines Schwimmbads ist keine Pflichtaufgabe einer Gemeinde. Dennoch leisten sich viele Kommunen den hohen Kostenaufwand für den Unterhalt und Betrieb eines Schwimmbades, auch um den Grundschulkindern der Gemeinde im Rahmen des Schulsports am Ort Schwimmunterricht anbieten zu können. Denn es ertrinken immer noch zu viele Menschen: im Jahr 2016 gab in Bayern mit 91 Fällen im bundesweiten Vergleich die meisten Badetoten zu beklagen – auch wenn viele davon nicht wegen mangelnder Schwimmkenntnisse, sondern aufgrund von Leichtsinn, Selbstüberschätzung oder gesundheitlicher Vorbelastungen ertranken.

Der Betrieb eines Schwimmbads ist eine teure Angelegenheit. Nahezu alle Kommunen „erwirtschaften“ damit hohe Defizite, die aus allgemeinen Haushaltsmitteln gedeckt werden müssen. Die Eintrittspreise können nicht beliebig angehoben werden, da ansonsten die Besucher wegbleiben. In dieser Zwangslage versuchen die Gemeinden zu sparen, indem sie Erneuerungsinvestitionen aufschieben oder ganz unterlassen. Nach Auskunft der Bayerischen Staatsregierung soll derzeit jedes dritte öffentliche Schwimmbad in Bayern sanierungsbedürftig oder gar von Schließung bedroht sein – die bisher letzte Schließung im Landkreis betraf 2011 das Schulschwimmbad Poing.

Die Defizite der kommunalen Schwimmbäder führen bei den Bürgern regelmäßig zu Diskussionen über den Nutzen von Schwimmbädern, über Maßnahmen zur Defizitsenkung und über die grundsätzliche Akzeptanz einer dauerhaft defizitären gemeindlichen Einrichtung. Um solche Diskussionen zu vermeiden, gehen einige Kommunen den scheinbar einfachsten Weg und verstecken die Defizite vor den Bürgern. Dies praktiziert z.B. die Stadt München, die ihre öffentlichen Schwimmbäder in die Stadtwerke München GmbH ausgelagert hat. Im veröffentlichten Geschäftsbericht findet man zwar Angaben über die Einnahmen – über die Verluste, die durch Quersubventionierung von den Kunden anderer Dienstleistungen der SWM getragen werden, schweigen sich die Stadtwerke aber aus. Bei jährlichen Einnahmen von rund 19 Mio. EUR werden Verluste in „zweistelliger Millionenhöhe“ kolportiert.

Ähnlich verschwiegen sind einige Gemeinden im Landkreis. Die Gemeinden Ebersberg, Grafing und Vaterstetten und mit Einschränkungen Kirchseeon stellen die Verluste ihrer Schwimmbäder jedoch transparent in den im Internet veröffentlichten Haushaltsplänen dar.

Darin steht, dass in Vaterstetten das Hallenbad Einnahmen von nur rund 15-20.000 EUR jährlich hat; unter dem Strich steht ein jährliches Defizit von rund 200.000 EUR. Das Ebersberger Hallenbad erzielt Einnahmen aus Eintritts- und Benutzungsgebühren von rund 30-40.000 EUR jährlich, hat aber auch etwas höhere Ausgaben; am Ende steht ein ähnlich hohes Defizit wie in Vaterstetten.

Das Freibad der Stadt Grafing ist in den Sommermonaten, in denen es geöffnet hat, ein Publikumsmagnet. Die Eintrittsgebühren summieren sich in diesem kurzen Zeitraum auf erstaunliche 170.000 EUR. Die immensen Personalkosten von rund 250.000 EUR und die Abschreibungen und Zinsen von rund 200.000 EUR pro Jahr lassen davon aber nichts mehr übrig und tragen wesentlich zum jährlichen Defizit von rund 400.000 EUR bei.

Nach der deutlichen Gebührenerhöhung 2012 stiegen die Einnahmen aus Eintritts- und Benutzungsgebühren beim Kirchseeoner Hallenbad auf ca. 130.000 EUR jährlich. Bei den Ausgaben betreibt die Verwaltung aber „Bilanzkosmetik“ und rechnet die tatsächlichen Verluste klein. Denn entgegen den gesetzlichen Vorschriften werden keine Abschreibungen und Zinsen einberechnet. Und bei der Erstellung des gemeindlichen Energie- und Klimaschutzkonzepts kam zufällig ans Licht, dass ein Großteil des Stromverbrauchs des Hallenbads trickreich auf die Schule „umgebucht“ wurde. Das reale Defizit des Hallenbads liegt daher deutlich höher als das offiziell ausgewiesene „Minus“ von rund 200.000 EUR jährlich. Angesichts des Kirchseeoner Rekordschuldenbergs von rund 15 Mio. EUR steht die Gemeinde wieder vor der gleichen Diskussion wie schon 2010/2011, als aus Kostengründen die Schließung des Hallenbads ernsthaft erwogen wurde.

Die meisten Schwimmbäder im Landkreis wurden gebaut, als die Energiekosten noch viel niedriger waren; heute sind sie oft veraltet, zu klein, wenig attraktiv und dennoch oder gerade deshalb hochdefizitär. Können künftig nur noch besonders reiche Gemeinden ihren Bürgern weiterhin diese freiwillige Leistung anbieten oder haben Schwimmbäder nur noch in interkommunaler Zusammenarbeit (so wie dies Ebersberg und Grafing seit einigen Jahren versuchen) oder gar als Landkreisaufgabe eine Zukunft ?

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft November 2017. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt.

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