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Januar 2024

Steckdose gesucht

Über 400.000 Photovoltaik (PV)-Anlagen sind bereits an das Bayernwerk-Netz angeschlossen, das im Freistaat etwa 5 Mio. Menschen vor allem in ländlichen Gebieten versorgt, darunter auch die meisten Gemeinden im Landkreis Ebersberg. Mehr als 70 Prozent der Energie in diesem Netz kommt bereits aus regenerativen Quellen. Die Gesamtleistung aller Anlagen der erneuerbaren Energien (EE) in diesem Netz beträgt über 13 Gigawatt (GWpeak). Darüber hinaus speisen konventionelle Kraftwerke und KWK-Anlagen eine Leistung von ca. 1,9 GW in das Stromnetz ein. Der maximale Verbrauch beträgt aber nur ca. 7,9 GW.

Wer im Physikunterrricht aufgepasst hat weiß, dass in einem stabilen Stromnetz die erzeugte Energiemenge immer genauso groß sein muss wie die zeitgleich verbrauchte. Eine einfache Möglichkeit zur Netzstabilisierung stellt die Abschaltung von Erzeugungsanlagen dar. Im Netzbericht des Bayernwerks steht dazu: "...mittels Spitzenkappung [darf] jährlich maximal eine Energie von 3 % der gesamten erzeugbaren Energie abgeregelt werden... Aufgrund der erwarteten hohen EE-Zubaudynamik verliert das Planungsinstrument zunehmend an Bedeutung, da eine Maßnahmenvermeidung durch Anwendung der Spitzenkappung i.d.R. nicht mehr gegeben ist."

Damit will das Bayernwerk sagen, dass die Abschaltung von EE-Anlagen mit mehr als 25 kW Leistung nicht mehr ausreicht, um das Netz stabil zu halten. Denn eine relevante Speicherung der immer höheren mittäglichen PV-Spitzenleistung für produktionsschwache Zeiten erfolgt weder im Landkreis noch anderswo – einer der grundlegenden Konstruktionsfehler der "Energiewende". Daher müssen hohe Investitionen in den Ausbau der Netze vorgenommen werden, um die Leistungsspitzen der PV-Anlagen aus den ländlichen Gebieten zu den Großverbrauchern in den Städten oder ins Ausland abzuführen. Das Bayernwerk investiert im Jahr 2023 in den Leitungsausbau rund 800 Mio. EUR, mit weiter stark wachsender Tendenz. Die Rechnung zahlen am Ende die hiesigen Stromverbraucher mit immer höheren Netzentgelten.

Auch der Markt Kirchseeon wird mit der mittäglichen Leistungsspitze aus der derzeit direkt neben der mittelalterlichen Kirche im Ortsteil Neukirchen geplanten Freifeld-PV-Anlage diese Netzprobleme weiter verschärfen.

Wo der Strom aus der Anlage in das lokale 20 kV-Netz eingespeist werden soll, darüber findet man im Entwurf des Bebauungsplans aber keine Angabe. Das ist nicht ganz unwichtig, denn nach § 16 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes muss der Betreiber der PV-Anlage "die notwendigen Kosten des Anschlusses von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien [...] an den Verknüpfungspunkt" tragen. Das heißt, je weiter entfernt ein solcher Netzverknüpfungspunkt ist, desto teurer wird die Leitung und desto unwirtschaftlicher das Projekt.

Für eine Ersteinschätzung eines Einspeisepunkts bietet das Bayernwerk das digitale Online-Tool SNAP (Schnelle NetzAnschlussPrüfung) an: "SNAP bietet schnell und unverbindlich ein gutes Indiz für Planer einer neuen Anlage". Das SNAP-Tool ersetzt aber nicht die Netzberechnung für eine verbindliche Netzanschluss-Zusage.

Je nach eingegebener PV-Leistung gibt SNAP entweder einen Verknüpfungspunkt in unmittelbarer Nähe, am Kirchseeoner Weg (ca. 1,1 km entfernt) oder gar in Riedering (1,7 km entfernt) an. Einen Verknüpfungspunkt in Pöring, den die Bauamtsleiterin angeblich vom Bayernwerk mitgeteilt bekommen haben will, schlägt das Tool hingegen nie vor.

Auch scheint sich das Bauamt unklar über die Gesamtleistung der Anlage zu sein, ca. 2 MW oder gar über 3 MW. Sicher aber dürfte sein, dass die Kosten für kilometerlange 20 kV-Erdkabel mitten durch Eglharting weit im 6-stelligen Bereich liegen und damit die Rentabilität des Projekts und dessen Verwirklichung in Frage stellen könnten.

Und Hindernisse für das Projekt gibt es noch mehr. Das Landesamt für Denkmalschutz fordert bisher vergeblich, dass die PV-Module ca. 45 Meter von der Straße Abstand halten sollen, um den freien Blick auf die denkmalgeschützte Kirche zu erhalten. Deren Eigentümerin, die katholische Kirche, wurde erst gar nicht im Verfahren beteiligt, obwohl auch sie als "Trägerin öffentlicher Belange" anzuhören wäre: die Unterdrückung kritischer Stimmen durch das Rathaus kennt man ja schon vom "Bürgerdialog" zum Schwellenwerks-Bürgerentscheid...

Verwundert es da, dass man im Rathaus auch meint, dass es den Autofahrern auf der engen Straße von Pöring nach Eglharting zuzumuten wäre, viele Stunden im Jahr durch Reflexionen des Sonnenlichts an den PV-Modulen geblendet zu werden? Der "Blendgutachter" beruft sich auf die LAI-Richtlinie zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen, doch die gilt gar nicht für den Straßen- und Eisenbahnverkehr, was er auf Nachfrage auch einräumen musste. Viele kennen die dortige kurvige Strecke, es reicht bereits eine kurze Blendung, um mit dem Gegenverkehr zu kollidieren – besucht dann der Staatsanwalt das Kirchseeoner Rathaus wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr?

Droht dem Kirchseeoner Rathaus nach der Hallenbad-Schließung und dem Bürgerentscheids-Fiasko beim Schwellenwerksgelände, bei dem 60 % der abgegebenen Stimmen dem Bürgermeister und der Gemeinderatsmehrheit ihr Misstrauen ausgesprochen haben, nun die nächste Pleite? Und stimmen die Prioritäten noch, wenn für die PV-Anlage im Haushalt 3,5 Mio. EUR bereit stehen, aber angeblich kein Geld für die Schwimmbadsanierung da ist?

Das Bayernwerk hat jedenfalls die Erfahrung gemacht, dass "weniger als zehn Prozent der eingereichten [PV-]Anlagenvorhaben am Ende umgesetzt werden".

Dieser Artikel ist eine fortgeschriebene Fassung der in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft Januar 2024, erschienenen Erstversion. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm oder auf "Der Oberbayer"




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