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Februar 2019
Silvesterfeuerwerk mit Feinstaub

Feinstaub nicht nur an Silvester

Glyphosat, Asbest, Abgase - viele Menschen machen sich Sorgen, dass ihre Gesundheit durch Umweltschadstoffe gefährdet wird. Diffuse Ängste, dass die ganze Umwelt "vergiftet" sei, können entstehen, weil man die geringen Konzentrationen, bei denen Umweltschadstoffe bereits schädliche Auswirkungen haben können, meist weder sieht noch riecht.

Solchen Besorgnissen kann man durch Messungen entgegen wirken. Die Bestimmung von Umweltschadstoffen durch hochpräzise, teure Messstationen ist meist Behörden und Forschungseinrichtungen vorbehalten, die aber nur punktuelle Untersuchungen machen können. Weder kann so die Belastung des Einzelnen ermittelt werden, noch ist eine flächendeckende Einschätzung der realen Schadstoffbelastung der ganzen Bevölkerung möglich.

Diese Lücke füllen engagierte Bürger, die sich zu einem Netzwerk zusammenschließen, um Umweltmessungen durchzuführen und die Ergebnisse im Internet zu veröffentlichen. Durch Miniaturisierung, Automatisierung und Digitalisierung von Sensoren und Messverfahren ist es inzwischen auch für normale Bürger erschwinglich geworden, Messungen von bestimmten Luftschadstoffen vorzunehmen. Solche Projekte werden mit dem englischen Begriff "Citizen Science" beschrieben (frei auf deutsch: Bürger machen Wissenschaft).

Ein Projekt, bei dem Feinstaub in der Luft gemessen wird, ist http://luftdaten.info. Europaweit haben sich bereits mehrere tausend Freiwillige zusammengeschlossen und nach einer Bauanleitung ein Feinstaubmessgerät mit integrierter Temperatur- und Feuchtigkeitsmessung für wenige Dutzend Euro zusammengebaut und per WLAN an das Internet angeschlossen.

In Kirchseeon, Ebersberg und Oberpframmern befinden sich je zwei Messstationen und in Glonn eine, deren Messdaten für die Feinstaub-Kategorien PM10 und PM2,5 kontinuierlich auf einer Karte im Internet angezeigt und detailliert abgerufen werden können. Weitere Messstationen sind im Raum Poing und Grub, zahllose weitere in München und Umgebung.

Eine im Dezember in Kirchseeon neu eingerichtete Feinstaubmessstation hatte an Silvester die erste "Bewährungsprobe" zu bestehen. Als um Mitternacht Böller und Raketen gezündet wurden, stieg an dieser Messstelle – ebenso wie an vielen anderen im Umkreis - die Feinstaubkonzentration rasch auf rund 2000 µg/m3. Diese hielt wegen des leichten Winds nur kurz an und sank dann wieder auf die winterüblichen Werte (täglicher Schwankungsbereich dieser Messstelle bei PM10: 2-70 µg/m3, Tagesmittelwerte ca. 5-30 µg/m3, bei PM2,5: 2-25 µg/m3, Tagesmittelwerte ca. 2-15 µg/m3).

In Deutschland gilt für Feinstaub der Kategorie PM10 ein Tagesmittelwert von 50 µg/m3, der nicht mehr als 35 Mal im Jahr überschritten werden darf, sowie ein Jahresmittelwert von 40 µg/m3. Für Feinstaub der Kategorie PM2,5 gilt ein Jahresmittelwert von 25 µg/m3. Die WHO-Richtwerte betragen nur etwa die Hälfte dieser Grenzwerte.

Am Tagesgang der gemessenen Feinstaubkonzentrationen im Landkreis ist zu erkennen, dass die Hauptquelle nicht etwa der Straßenverkehr, sondern die vielen Holzfeuerungen sind. Denn Spitzenbelastungen treten außerhalb der Hauptverkehrszeiten auf, oft am Abend und am Wochenende. In den Messgraphen fallen auch die Anheizvorgänge mit besonders hohen Feinstaubkonzentrationen von teilweise bis zu 2-300 µg/m3 auf – was man im Freien auch deutlich riechen kann. Das Umweltbundesamt hat diese Probleme erkannt und weist darauf hin, dass die PM10-Feinstaub-Emissionen aus Holzfeuerungsanlagen mit rund 20.000 Tonnen inzwischen die des Straßenverkehrs (ca. 7.700 Tonnen) um das Mehrfache übersteigen. EU-weit sollen Holzfeuerungen als Hauptquelle von Partikeln für rund 60.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich sein.

Zwar wurden 2010 die gesetzlichen Anforderungen an die Emissionen von Holzfeuerungsanlagen verschärft. Doch die großzügigen Übergangsfristen für die Nachrüstung oder Außerbetriebnahme von "Feinstaubschleudern" sowie ein Bestandsschutz für viele Uralt-Öfen lassen keine rasche Besserung erwarten. Im Gegenteil, mit dem sachlich falschen Arguments des "CO2-neutralen" Heizens werden immer mehr Öl- und Gasheizungen durch Holzfeuerungen ersetzt. Der Trend zum "ganz natürlich gemütlichen" Feuer im heimischen Wohnzimmer verschärft das Feinstaub-Problem seit etwa 10 Jahren insbesondere in Gebieten mit vielen Einzel- und Reihenhäusern.

Denn ein Holzofen produziert im Vergleich zu einem Gaskessel tausend Mal so viel Feinstaub und bei der Verfeuerung von naturbelassenem Holz wird hundert Mal so viel Feinstaub emittiert wie bei einer Ölfeuerung. Selbst neueste Pelletkessel sind im realen Betrieb ein Vielfaches schmutziger als Ölfeuerungen, denn die extrem hohen Feinstaubemissionen beim Anfahren bleiben bei den Zulassungsmessungen außer Betracht, da nur bei Vollbrand im vorgeheizten Ofen gemessen wird. Das erinnert sehr an die unrealistischen Messungen von Pkw-Emissionen auf dem Rollenprüfstand.


Nachtrag vom 10. März 2019:
Weitere Informationen über die Meßstellen in Ebersberg:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/ebersberg/ebersberger-messen-feinstaubwerte-vor-der-haustuer-1.4342658

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft Februar 2019. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm

Diese Webseiten werden fortlaufend erweitert und ergänzt.


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