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Juni 2016
BVWP-Schiene bringt noch mehr Gleise und noch mehr Züge durch den Landkreis
BVWP-Schiene bringt noch mehr Gleise und noch mehr Züge durch den Landkreis

Was bringt der neue Bundesverkehrswegeplan ?
Teil 2: Eisenbahnstrecke München-Rosenheim-Kiefersfelden

Ein roter Strich in der Landschaft – so sieht im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP) die vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) geplante 2-gleisige Neubaustrecke zwischen Grafing Bahnhof und Kiefersfelden aus. In den Gemeinden Grafing und Aßling sollen "trassennah" zwei zusätzliche Gleise gebaut werden, damit dort künftig die Züge mit bis zu 230 km/h fahren können. Wegen der Topographie können die beiden Neubaugleise nur südlich der Bestandsgleise errichtet werden – sie werden dann mitten durch Oberelkofen führen und an Eisendorf, an einige Aßlinger Ortsteile sowie an Tuntenhausen heranrücken.

Zwischen Trudering und Grafing Bhf. sind beim Ausbau des nördlichen Brennerzulaufs weiterhin keine zusätzlichen Gleise vorgesehen, die benötigten Kapazitäten sollen allein durch signaltechnische Maßnahmen geschaffen werden können. Daran aber bestehen erhebliche Zweifel.

Ein Vergleich der vom Eisenbahnbundesamt veröffentlichten Zugzahlen (Tagesdurchschnittswerte) von hochbelasteten Strecken zeigt, dass durch den Landkreis heute schon doppelt so viele Fernbahnzüge fahren wie durchs Inntal und selbst im Mittelrheintal, das als Bahnlärmbrennpunkt gilt, fahren weniger Züge als bei uns:

Mittelrheintal mit zwei rechtsrheinischen und zwei linksrheinischen Gleisen, zusammen 4 Gleise:
233/103 Züge tags/nachts = 335 Züge pro 24 h (davon 170 Güterzüge)

Oberrheinstrecke bei Achern (vier Gleise):
219/69 Züge tags/nachts = 288 Züge pro 24 h (davon 126 Güterzüge)

Inntalstrecke Rosenheim-Kiefersfelden (zwei Gleise):
118/50 Züge tags/nachts = 168 Züge pro 24 h (davon 70 Güterzüge)

Strecke Zorneding-Grafing Bhf. :
2 Fernbahngleise: 246/68 Züge tags/nachts = 314 Züge pro 24 h (davon 82 Güterzüge)
2 S-Bahngleise: 115/25 S-Bahnen = 140 S-Bahnen pro 24 h
alle 4 Gleise zusammen: 361/93 Züge tags/nachts = 454 Züge pro 24 h

MdB Schurer kam daher schon im April zu der Erkenntnis, dass es technisch nicht möglich ist, auf den zwei Fernbahngleisen zwischen Trudering und Grafing Bhf. weitere 100 Güterzüge (insgesamt dann über 400 Züge) täglich fahren zu lassen. Dies scheint nur möglich, wenn der Fernbahnver-kehr die S-Bahn-Gleise mitbenutzt. Dieses Konzept wurde bereits 2012 von Verkehrsplanern in dem Projekt "Grundkonzeption einer nachhaltigen Bundesverkehrswegeplanung" entwickelt; seine Praxistauglichkeit wurde in den letzten Jahren bereits mehrfach bewiesen, als wegen Baustellen und Unglücksfällen der Fernbahnverkehr auf die S-Bahn-Gleise umgeleitet wurde – die Gefährdung der dicht gedrängt auf den Bahnsteigen wartenden S-Bahnfahrgäste durch die vorbei donnernden Güterzüge wurde dabei bewusst in Kauf genommen.

Offen bleibt, ob MdB Schurer (SPD) von der DB Netz AG über die Mitbenutzung der S-Bahngleise durch den Fernverkehr in Unklaren gelassen wurde oder ob er diese Information der Öffentlichkeit verschweigt. Tatsache ist aber, dass das BMVI kürzlich die Beantwortung einer Anfrage nach der Anzahl der Güterzüge, die künftig über die S-Bahn-Gleise fahren sollen, verweigerte.

Die Mandatsträger im Landkreis Rosenheim, angeführt von ihrer Bundestagsabgeordneten Da-niela Ludwig haben es geschafft, in der Öffentlichkeit den – falschen - Eindruck zu erwecken, dass das Inntal die "Lärmhölle" schlechthin wäre und dass es deshalb für die dortige Bevölkerung nicht zumutbar wäre, den Mehrverkehr von rund 200 Zügen, der nach Eröffnung des Brennerbasistun-nels dort erwartet wird, auf den Bestandsgleisen mitten durch die Orte fahren zu lassen.

Seit Sommer letzten Jahres wurden daher in vielen Verhandlungsrunden konkrete Gespräche mit der DB Netz AG über eine Trassenfindung für eine 2-gleisige Neubaustrecke zwischen Großkaro-linenfeld und Kiefersfelden geführt. Die dortige Bevölkerung will und darf mitreden, wo und wie die Bahn die zwei neuen Gleisen außerhalb der Ortschaften bauen soll – die Anwohner im Landkreis Ebersberg hingegen frägt niemand. Vielmehr wird die Bevölkerung über Dobrindts Pläne im Unklaren gelassen und darüber getäuscht, dass der Großteil der für den Lärmschutz am nördlichen Brennerzulauf vorgesehenen Mittel in die umfangreichen Tunnelbauten im Inntal fließen sollen, während für den Schutz der Gemeinden im Landkreis Ebersberg nichts mehr übrig bleibt.

Die Kirchseeoner Bürgerinitiative gegen Bahnlärm wirft daher den beiden Bundestagsabgeordneten Dr. Lenz (CSU) und Schurer (SPD) vor, bei diesem bösen Spiel mitzumachen und sich nicht für eine Gleichbehandlung der beiden Landkreise beim Lärmschutz einzusetzen. Denn wenn im Landkreis Ebersberg die gleichen Investitionen in den Lärmschutz getätigt würden wie im Landkreis Rosenheim, dann wäre die Wirtschaftlichkeit des Ausbaus der TEN-T-Strecke München-Rosenheim-Kiefersfelden nicht mehr gegeben und es dürfte daher überhaupt nicht gebaut werden, was aber beide auf keinen Fall wollen.

Am 28.01.2016 fasste zwar der Bundestag den sog. "TEN-T-Beschluss", wonach Ausbaustrecken hinsichtlich des Lärmschutzes den Neubaustrecken gleichzusetzen sind. Dobrindt aber tut so, als ob ihn dieser Bundestagsbeschluss nichts anginge und stellte am 9. Mai in Flintsbach den Entwurf der sog. Machbarkeitsuntersuchung zur weiteren Lärmsanierung an der Strecke München-Rosenheim-Kiefersfelden vor. Darin ist aber nicht mehr vom anfänglich versprochenen Lärmschutz auf Neubauniveau die Rede, vielmehr werden den Bahnanliegern weiter Lärmbelastungen weit oberhalb der für Neubaustrecken geltenden Lärmgrenzwerte zugemutet – kein Wunder, wenn die Kirchseeoner Bürgerinitiative MdB Dr. Lenz nun den Verkauf der Interessen der Bahnanlieger zugunsten seiner politischen Karriere in der CSU vorwirft.

Alle Projekte des sog. "Vordringlichen Bedarfs" des BVWP, d.h. auch der Ausbau des nördlichen Brennerzulaufs, sollen nach Aussage des BMVI bis 2030 fertiggestellt oder zumindest begonnen sein. Dennoch glaubt die Grafinger Bürgermeisterin Obermayr, dass die Bahnausbaupläne erst in Jahrzehnten konkret werden würden und daher kein Handlungsbedarf bestünde. So stecken die Bürgermeister und Gemeinderäte in Grafing, aber auch in den Nachbargemeinden Kirchseeon, Zorneding und Vaterstetten lieber den Kopf in den Sand und tun so, als ob sie der Ausbau des nördlichen Brennerzulaufs nichts anginge – die Bahnlärmprobleme werden so aber nicht gelöst.


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