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Dezember 2017
Landratsamt Ebersberg

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Im Oktober listete das Landratsamt für den Kreistag insgesamt 10 Unternehmen auf, an denen der Landkreis mit mehr als 5% beteiligt ist. Das Kreiskrankenhaus in Ebersberg, das dem Landkreis zu 100% gehört, ist eines davon. Die wirtschaftliche Bedeutung der Kreisklinik Ebersberg gGmbH erkennt man daran, dass sie mit rund 1000 Mitarbeitern etwa doppelt so viele wie der Landkreis selbst beschäftigt und ca. 32 Mio. EUR Schulden hat; der gesamte Landkreis ist mit ca. 66 Mio EUR (Stand Ende 2016) verschuldet.

Die Geschäftsführung der Kreisklinik soll vom Aufsichtsrat kontrolliert werden; der Aufsichtsrat besteht aus 14 Mitgliedern, darunter der Landrat sowie 10 Kreisräte aus allen Fraktionen. Der Wirtschaftsplan 2018 der Kreisklinik gGmbH wurde im November im Kreistag beraten. Dazu schreibt die "Finanzmanagerin" des Landratsamts Brigitte Keller: "2015 entstand ein Verlust in Höhe von 2.187.369,64 €. Innerhalb von 5 Jahren ist dieser Verlust durch entsprechende Gewinne wieder auszugleichen. Gelingt dies nicht, muss der Gesellschafter diesen Verlust tragen."

Für das laufende Jahr machte die Geschäftsführung keine Hoffnungen und schrieb im Jahresabschluss 2016, der kürzlich im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde: "Die Geschäftsführung geht davon aus, dass es 2017 erneut einen Jahresfehlbetrag geben wird" und die "Finanzmanagerin" warnt den Kreistag: "Wegen der schlechten Rahmenbedingungen für die Klinikfinanzierung ist zu befürchten, dass auch in den nächsten Jahren Verluste entstehen werden."

Der Landkreis als Alleineigentümer haftet zwar grundsätzlich nur mit der Stammeinlage von 100.000 EUR für seine Tochter. Der Landkreis hat jedoch Bürgschaften in Höhe von rund 80 Mio. EUR übernommen und gewährt der Kreisklinik Zwischenfinanzierungsdarlehen sowie zusätzlich beträchtliche Liquiditätshilfen. Im Ergebnis trägt der Landkreis erhebliche finanzielle Risiken, dennoch hat der Kreistag keine unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführung der Kreisklinik gGmbH.

Die "Finanzmanagerin" Brigitte Keller beschreibt die "Selbstentmachtung" des Kreistags ganz unverblümt: "Nachdem die Satzung [der Kreisklinik gGmbH] keine Regelungen zur Genehmigung [des Wirtschafts- und Investitionsplans] durch die Kreisgremien enthält, ist die Möglichkeit der Weisungserteilung an Aufsichtsratsmitglieder der Kreisklinik gGmbH begrenzt. Eine Beschlussfassung des Kreistages ist nicht erforderlich."

Zwar soll der Landrat den Kreis- und Strategieausschuss mindestens zweimal jährlich über den Geschäftsverlauf und Angelegenheiten der Kreisklinik informieren. Dieser kann aber der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat keine Weisungen erteilen, sondern nur abnicken.

Dass die Kontrolle der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat und die Gesellschafterversammlung nur sehr unzureichend erfolgt, konnte man schon im Juli 2015 sehen, als der damalige und jetzige Geschäftsführer Stefan Huber vom Amtsgericht Ebersberg wegen Abrechnungsbetrugs zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Ein Schaden für die Kreisklinik soll dabei aber angeblich nicht entstanden sein.

Feststellungen der Geschäftsführung im Jahresabschluss 2016 sind diesbezüglich beunruhigender: "Damit auch 2017 die Liquidität zu keinem Zeitpunkt gefährdet wird und die Liquidität ersten Grades sich wieder verbessert, ist hinsichtlich des Medizincontrolling dringend eine Lösung zu finden. Wenn keine geeigneten Mitarbeiter gefunden werden, ist notfalls auf externe Kodierspezialisten zur Abarbeitung von aufgelaufenen Abrechnungsfällen zurückzugreifen. Alternativ ist der satzungskonforme Betriebsmittelkredit durch den Landkreis zur Vermeidung von Liquiditätsengpässen aufzunehmen" und "Die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen haben sich um 2.852.655,22 EURO auf 10.664.694,17 EURO erhöht, was im Wesentlichen auf die oben bereits angesprochene personalbedingt zeitverzögerte Abrechnung gegenüber den Krankenkassen zurückzuführen ist."

Mit anderen Worten: die Geschäftsführung schafft es nicht, die erbrachten Krankenhausleistungen zeitnah zu verrechnen und Gelder einzukassieren, hat aber keine Bedenken, sich fehlende flüssige Mittel aus der Landkreiskasse zu beschaffen.

Diese freiwillige "Selbstentmachtung" der kommunalen Gremien durch Auslagerung von Aufgaben in Unternehmen des Privatrechts findet man nicht nur beim Landkreis, sondern immer öfter auch bei den Landkreisgemeinden. Es gibt kaum eine Aufgabe, die nicht "privatisiert" wird: von der Energieberatung und der Energieversorgung, über die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung bis hin zum Wohnungsbau.

Bedenklich an dieser Entwicklung ist nicht nur der Kontrollverlust, den die kommunalen Gremien freiwillig eingehen, sondern auch der Abbau der Informationsrechte der Bürger. Obliegt die Erledigung einer kommunalen Aufgabe noch unmittelbar dem Gemeinderat oder Kreistag, kann sich der Bürger in den Sitzungen der jeweiligen Gremien informieren. Wird die gleiche kommunale Aufgabe durch einen Geschäftsführer einer von der Gemeinde gegründeten GmbH, Genossenschaft oder einem Kommunalunternehmen erledigt, erfährt der Bürger kaum noch etwas, obwohl er als Steuerbürger am Ende das finanzielle Risiko trägt. Und dieses Risiko kann im Fall von so großen wirtschaftlichen Unternehmen wie einem Krankenhaus ganz beträchtlich sein.


Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft Dezember 2017. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm

Diese Webseiten werden fortlaufend erweitert und ergänzt.


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