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September 2022

Umzingelt - Neustart für Windradplanungen in und um Kirchseeon?

Am 3. August gab die Bayerische Staatsregierung dem Druck zur Abschaffung der bayerischen 10H-Abstandsregelung für Windräder teilweise nach und reichte im Landtag einen Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Bauordnung (BayBauO) ein. Im neu einzuführenden Art. 82a BayBauO wird für sechs Fallgruppen, u.a. für Anlagen in Wäldern und entlang von Haupteisenbahnstrecken und Autobahnen, der Mindestabstand zu Wohngebäuden auf nur noch 1000 Meter reduziert. Nach der Sommerpause wird der Landtag wohl das Gesetz verabschieden.

Wir erinnern uns: die Landkreisgemeinden hatten sich im Jahr 2011 mit dem Landratsamt Ebersberg darauf verständigt, in einer geeignete Windkraft-Standorte zu suchen. Die Grundidee zu dieser interkommunalen Planung war, die Standorte für die nach Meinung des Kreistags erforderlichen vielen Dutzend Windräder einigermaßen gleichmäßig über das Kreisgebiet zu verteilen, damit nicht einzelne Gemeinden besonders stark belastet würden.

Es war jedoch vorhersehbar, dass diese Suche wegen der Topographie, der "harten" und "weichen" Tabuzonen und der Mindestabstände zu Wohngebäuden und Infrastruktureinrichtungen zu einem ähnlichen Ergebnis führen würde wie die bereits 2008 von der Firma Beermann Energiesysteme im Auftrag des Landratsamtes durchgeführte Machbarkeitsuntersuchung. So kam es dann 2013 auch: die Konzentrationsflächen befanden sich mehrheitlich im Bereich des Endmoränengürtels von Glonn, Egmating, Oberpframmern nach Kirchseeon. Insbesondere der Kirchseeoner Ortsteil Buch sah sich ringsum von solchen Potentialflächen umgeben (siehe Abbildung mit den derzeit geplanten Windrad[WKA]- und Photovoltaik[PV]-Standorten; Konzentrationsflächen in Hellblau). Der Aufschrei war groß, selbst die grüne Kirchseeoner Gemeinderätin Oberhauser-Hainer aus Buch fand man an der Spitze des Protests.

Als dann 2014 der Bayerische Landtag die Länderöffnungsklausel im §249 Abs. 3 des Baugesetzbuches nutzte, um die 10fache Höhe eines Windrads (heute bis ca. 250 Meter) als Mindestabstand zu Wohngebäuden festzulegen, bedeutete dies das vorläufige Aus für die interkommunale Standortplanung. Weil das Genehmigungsverfahren für das Windrad in Hamberg, Gde. Bruck, mit einer Höhe von (nur) 180 Metern bereits vor dem Inkrafttreten der 10H-Regelung am 21.11.2014 eingeleitet worden war, konnte die Anlage trotz der geringen Abstände 2016 gebaut werden.

Seit Inkrafttreten der 10H-Regelung sind nun acht Jahre vergangen. Acht Jahre, die von emotionalen Diskussionen im Kreistag und den Gemeinderäten, zahlreichen teuren Gutachten, Heerscharen neu eingestellter Klima- und Energiemanager und einen die Landkreisbevölkerung spaltenden Bürgerentscheid geprägt waren. Aber in der Sache ging kaum was voran. Im Januar 2022 stand der Konkurs der Green City AG, die fünf Windräder im Ebersberger Forst errichten sollte, symbolhaft für das Scheitern der Energie- und Klimapolitik des Landkreises, der wohl auch alle seine ausstehenden (nachrangigen) Forderungen an die Green City AG (in 6stelliger Höhe) abschreiben muss. Doch wieder mal scheint niemand im Landratsamt die Veranwortung für diese Verluste an Steuergeldern übernehmen zu wollen.

Die geringen Fortschritte in fast allen Energiebereichen auf dem Weg in die vom Kreistag vor fast 20 Jahren beschlossene "Fossilenergiefreiheit 2030" waren mehrfach in den vom Landratsamt periodisch erstellten "Meilensteinberichten" dokumentiert worden. Doch es gab keine Kurskorrektur.

Putins "Gaskrieg" und die drohende Gasknappheit im Winter machen die Defizite im Landkreis nun deutlich sichtbar. Während sich die Mandatsträger vor allem auf die Stromerzeugung durch Windräder und Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen fokussierten, beheizen viele Gemeinden und selbst das Landratsamt ebenso wie Private und Gewerbliche die meisten ihrer Bestandsliegenschaften weiterhin mit dem nun sehr teuer gewordenen Erdgas und Heizöl. Mit strombetriebenen Wärmepumpen könnten allenfalls kleinere Neubauten beheizt werden und selbst das Heizen mit allen Arten von Holz ist nicht zukunftssicher, da das Umweltbundesamt dies wegen der Feinstaubemissionen und der nicht nachhaltigen CO2-Emissionen am liebsten sofort verbieten möchte.

Und der World Wildlife Fund (WWF) kam in seiner im Juli 2022 veröffentlichen Studie "Alles aus Holz – Rohstoff der Zukunft oder kommende Krise" zu dem Ergebnis: "Die [Holz]Nachfrage in Deutschland ließe sich mit der hiesigen Waldfläche nicht einmal bei nur reiner Mengenbetrachtung – also ohne die Einhaltung von ökologischen Nachhaltigkeitskriterien – decken". Die Verbrennung von Holz, bei der bei gleicher Wärmemenge dreimal soviel CO2 wie bei Erdgas und immer noch doppelt soviel CO2 wie bei Heizöl freigesetzt wird, soll daher erst am Ende der Holznutzung stehen. Prioritär ist die langfristige Nutzung von Holz als Baumaterial usw., um das darin gebundene CO2 möglichst lange vor der (Wieder)Freisetzung in die Atmosphäre zu fixieren.

Während viele Gemeinden im östlichen und südlichen Landkreis München sowie im Nordwesten das Landkreises Ebersberg schon seit vielen Jahren Teile ihres Wärmebedarfs aus der Tiefengeothermie holen, verhält sich der Ebersberger Kreistag eher abwartend. Und das, obwohl dem Kreistag bereits Ende 2021 eine Studie vorlag, die zeigte, dass mit Geothermie 50% des Wärmebedarfs im Landkreis gedeckt werden könnten und eine Wirtschaftlichkeit bereits bei den damaligen – niedrigeren - Energiepreisen gegeben war. Derzeit übertreffen sich die Fraktionen des Landtags (CSU/Freie Wähler vom 12.8.22, SPD vom 19.7.22, CSU/Freie Wähler vom 30.6.22, Bündnis90/Die Grünen vom 29.6.22) gegenseitig mit Anträgen, in denen die Staatsregierung zur massiven Förderung der Tiefengeothermie und von Fernwärmenetzen aufgefordert wird.

Wird die Änderung der BayBauO nun die hitzigen Diskussionen um Windrad-Standorte wieder eröffnen und die Gemüter in Ortschaften wie Buch erneut erregen?

Eröffnet wurde diese Diskussion bereits durch die Gemeinden Bruck und Moosach, die schon im Juni die Einleitung der bauplanungsrechtlichen Verfahren für die Ausweisung eines Windradstandortes zwischen Taglaching und Fürmoosen beschlossen haben. Der Standort ist deutlich weniger als 10H von Osterseeon (Gemeinde Kirchseeon) und Pötting (Stadt Ebersberg) entfernt. Und ob die Befreiung von der 10H-Mindestabstandregel greift, ist derzeit unklar. Denn von der Mitte des Mastfußes bis zum Waldrand müsste mindestens ein Abstand in Höhe des Radius des Rotors eingehalten sein. Dieser Abstand ist in jede(!) Richtung einzuhalten.

Über Windradstandorte in den Wäldern rund um Buch laufen bereits geheimgehaltene Gespräche zwischen den Kommunen und auch die Grafinger und Ebersberger Stadträte haben jeder auf seiner Flur mit einer Standortsuche begonnen. Und die Windräder im Ebersberger Forst könnten wieder näher an Eglharting und/oder Pöring heranrücken.

Doch womit sollen die Landkreisbürger ihre Bestandshäuser künftig beheizen?


Dieser Artikel ist eine korrigierte und fortgeschriebene Fassung der in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft September 2022, erschienenen Erstversion. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm oder auf "Der Oberbayer"




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