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Mai 2016
Tägliche Verkehrslawine auf der B304 in Kirchseeon
Tägliche Verkehrslawine auf der B304 in Kirchseeon

Was bringt der neue Bundesverkehrswegeplan ?
Teil 1: Kein Ende der Verkehrslawine auf der B304 in Kirchseeon in Sicht

Groß war die Enttäuschung in Kirchseeon, als das Bundesverkehrsministerium (BMVI) kurz vor Ostern den Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans (BVWP) veröffentlichte, denn die Kirchseeoner B304-Ortsumfahrung ist nicht im "vordringlichen Bedarf" enthalten, sondern nur nachrangig als sog. "weiterer Bedarf" eingestuft. Mit dieser Einstufung besteht in den nächsten 15-20 Jahren so gut wie keine Chance auf Entlastung des Ortes. Zwar weist die vorgeschlagene südliche Ortsumfahrung ein gutes Nutzen-Kosten-Verhältnis auf, jedoch werde laut der vom BMVI veröffentlichten Projektbeschreibung "der netzkonzeptionell vorgesehene Neubau [...] mit Blick auf den aktuellen Planungsstand und die Diskussion vor Ort zurückgestellt."

Dies kann man wohl nur so verstehen, dass die Kirchseeoner Ortsumfahrung eine höhere Priorität erreicht hätte, wenn der Marktgemeinderat nicht den Fehler begangen hätte, dem Druck der Grünen und der Südumfahrungsgegner nachzugeben und für den BVWP neben der "Bürgerentscheids-Variante" noch einen finanziell unrealistischen innerörtlichen B-304-Tunnel vorzuschlagen. Die Antwort des BMVI auf das "entweder – oder" der Gemeinde war denn auch ein klares "so nicht".

Derzeit liegt nur ein Entwurf des BVWP vor, das heißt, grundsätzlich sind noch Änderungen in der Priorisierung möglich. Ob eine bessere Einstufung auch für die Kirchseeoner Ortsumfahrung noch erreichbar ist, ist unklar. Aber um das noch zu erreichen, wäre wohl neben einem klaren und eindeutigen Votum der Gemeinde für eine einzige Variante auch eine intensive Lobbyarbeit aller Mandatsträger in Berlin erforderlich.

Aber dafür stehen die Chancen schlecht. Denn kaum war der Entwurf des BVWP bekannt geworden, spalten die Kirchseeoner SPD und MdB Schurer (SPD) wieder die Gemeinde. Wie wenn sie die vom BMVI monierte Uneinigkeit im Ort geradezu bestätigen wollten, missachten sie das Ergebnis des Bürgerentscheids und bringen wieder ihre bereits am 23. April 2012 vom Marktgemeinderat abgelehnte "innerörtliche Ortsumfahrung" ins Spiel. Dieser Variantenvorschlag beruht auf der fixen Idee, das BMVI auf dem Umweg über eine Bundesstraßenplanung zur Sanierung der Altlasten des IVECO-Geländes zwingen zu können, damit anschließend das seit Jahrzehnten brachliegende IVECO-Gelände mit Wohnblöcken zugebaut werden kann – ein alter SPD-Wahlkampfschlager, der jetzt zur Unzeit wieder aufgewärmt wird.

Auch das Staatliche Bauamt Rosenheim hatte den SPD-Vorschlag schon vor Jahren abgelehnt, weil die "SPD-Trasse" zwar genauso viel Natur verbraucht wie die weite Südumfahrung, aber gleichzeitig weniger Lärmschutz bringt. Zudem würde das im IVECO-Gelände vorgesehene Tunnelbauwerk dort die Grundwasserhorizonte so nachhaltig stören, dass die laufende Grundwassersanierung gefährdet wäre und das sich am Tunnelkörper aufstauende, kontaminierte Grundwasser aus dem ehemaligen Schwellenwerksgelände zu den nahen Kirchseeoner Brunnen fließen könnte – das wäre der GAU für das Kirchseeoner Trinkwasser.

Mit ihrem Vorstoß verabschiedet sich die Orts-SPD aus dem im Gemeinderat mühsam erarbeiteten Konsens einer weiten Südumfahrung. Das Handeln der Orts-SPD zeigt deutlich auf den eigentlichen wunden Punkt, der seit Jahrzehnten der Lösung der B304-Probleme entgegen steht, nämlich der Unfähigkeit oder dem Unwillen der politischen Entscheidungsträger in Kirchseeon, Partikularinteressen dem Interesse der Gesamtgemeinde unterzuordnen und beharrlich an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten. Mangelt es schon an der Einigkeit im Ort selbst, so braucht man über das Fehlen einer wirksamen Lobbyarbeit in Berlin durch die lokalen MdBs Dr. Lenz (CSU) und Schurer (SPD) nicht mehr wundern.

MdB Dr. Lenz hat sich bereits aus dem Thema verabschiedet und hat offenbar auch nicht vor, sich noch weiter für Kirchseeon einzusetzen, denn er gibt der Gemeinde auf seiner Homepage den Rat: "Umso mehr gilt es jetzt vor Ort nach alternativen Lösungsansätzen zu suchen." Welche "alternative Lösungsansätze"“ er sieht, um die gesundheitlichen und städtebaulichen Auswirkungen der rund 16.000 Fahrzeuge täglich zu mindern, verrät er allerdings nicht.

Dabei gäbe es sehr wohl Möglichkeiten, die Anzahl der Verkehrstoten auf der B304 ebenso zu mindern wie die lärmbedingten Gesundheitsschäden bei den Anwohnern. So wird in der Polizeiinspektion Ebersberg aus verkehrlicher Sicht eine innerörtliche nächtliche Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h für zumutbar gehalten. Auch ist es aus verkehrlicher Sicht nicht begründbar, dass auf der ortseinwärts führenden Fahrspur am östlichen Spannleitenberg keinerlei Geschwindigkeitsbeschränkung gilt, dort darf jeder ungestraft so schnell fahren wie er will, auch weit mehr als 100 km/h.

Es ist auch unverständlich, weshalb es in Eglharting auf einer Länge von 500 Metern vier Ampeln und 400 Meter weiter noch eine Fußgängerbrücke gibt, jedoch im ganzen restlichen Ortsbereich auf mehreren Kilometern nur zwei Ampeln – die Wartezeiten, um auf die B304 aufzufahren oder diese zu queren, sind dort unerträglich lang, weitere Ampelanlagen, z.B. an der Kreuzung mit der Waldbahn oder auf dem Spannleitenberg, wo es schon mehrere schwere Unfälle gab, scheinen dringend notwendig.

Wenn nicht doch noch ein Ruck durch die politische Gemeinde geht, dann hat MdB Dr. Lenz wohl recht: die Gemeinde muss sich überlegen, auf welche Weise das Leben an und mit der B304 in den nächsten 15-20 Jahren einigermaßen erträglich gemacht werden kann. Im Bau befindliche, genehmigte oder fest eingeplante Wohnungen für etwa 500 Menschen direkt neben der B304 als "lebende Lärmschutzwände" dürften aber nicht Teil der Lösung sein, sondern verschärfen nur die Probleme und beschleunigen den weiteren sozialen und wirtschaftlichen Abstieg Kirchseeons. Dem werden sich auch diejenigen, die meinen, das sie die Lösung der Lärmprobleme von Bahn und Straße nichts anginge, nicht entziehen können - außer sie ziehen weg, was in Kirchseeon laut dem Sozialbericht 2015 des Landratsamts Ebersberg so viele wie in keiner anderen Gemeinde im Landkreis machen.


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