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September 2015
Notstromversorgung der Wasserpumpe beim Öffenen des Rohrgraben BA2

Kirchseeoner Moos: Die Angst vor nassen Füßen

Die Sorge der Hausbesitzer im Kirchseeoner Moos vor anhaltenden Niederschlägen, die die Straßen und Wege unpassierbar werden lassen und die Häuser überfluten könnten, wird noch übertroffen von der Furcht, dass in Osterseeon plötzlich Teile der Rohrleitung zur Entwässerung des Mooses zusammenbrechen könnten und der zurückstauende Seeoner Bach alles unter Wasser setzen könnte.

Es wäre eigentlich Aufgabe des seit den 1920er Jahren bestehenden sog. Wasser- und Bodenverbandes zur Entwässerung des Kirchseeoner Mooses, bei dem alle Grundeigentümer im Moos zwangsweise Mitglieder sind, sich selbst darum zu kümmern, dass dies nicht passiert. Aber die "Moosler" tun das seit Jahrzehnten nicht und setzen sich dadurch dem Vorwurf aus, dass sie zwar auf billig erworbenem Grund in der Idylle eines Landschaftsschutzgebietes bauen und wohnen wollen, aber die immensen finanziellen Folgelasten auf andere abwälzen wollen.

Denn dieser Entwässerungsverband ist seit langem untätig und nicht handlungsfähig und die Aufsichtsbehörde im Landratsamt Ebersberg sah und sieht dem auch noch untätig zu. Den "Schwarzen Peter" hat die Gemeinde Kirchseeon, die als Gebietskörperschaft für die öffentliche Sicherheit im Moos verantwortlich ist und nicht tatenlos zusehen darf, wie die Entwässerungskanäle zuwachsen und dadurch die Hochwassergefahr im Moos steigt.

Die Zuständigkeit und Verantwortung der Gemeinde beschränkt sich aber auf reine Notmaßnahmen. Entsprechend bestätigt die Regierung von Oberbayern auf Anfrage in einem Schreiben vom 11.02.2015, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn es "der Gemeinde angesichts des seit langem inaktiven und handlungsunfähigen Wasser- und Bodenverbandes zur Vermeidung etwaiger haftungsrechtlicher Konsequenzen oder auch in ihrer Eigenschaft als Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) angezeigt erscheint, Gewässerunterhaltungsmaßnahmen durchzuführen". Weitere Verpflichtungen sei die Gemeinde ausweislich eines Aktenvermerks des Landratsamts vom 15.05.1995 zu dem Gespräch mit der damaligen Bürgermeisterin aber nicht eingegangen.

Da aber die aus den 1920er Jahren stammenden Betonrohre der Entwässerungsleitung bei Osterseeon nur eine ungenügende Stahlarmierung aufweisen, ist ein spontaner Bruch eines Rohrstücks immer denkbar. Daher wurde im Jahr 2012/13 der Plan entwickelt, parallel zur bestehenden Verrohrung des Seeoner Bachs zwei Entlastungsrohre DN 500 mittels Horizontalbohrung unter der Straße durchzupressen. Eine Grobschätzung ergab Kosten von rund 300.000 EUR (eine Schätzung aus dem Jahr 2014 kommt für ein Rohr mit DN 1000 auf ca. 500.000 EUR). Daher wurden diese Pläne zunächst zurückgestellt.

Im Herbst 2013 ließ die Gemeinde gutachterlich klären, ob die bestehenden Abflussmöglichkeiten aus dem Moos auch bei Starkregen ausreichen, um Überschwemmungen im Moos zu verhindern. Nach den Berechnungen des Gutachters ist die bestehende Abflussleitung (Verrohrung im Eiprofil 1200/800) ausreichend dimensioniert. Er schlug aber die Anlage eines Regenrückhaltebecken für den Aubach vor dem Durchlass zur B304 vor. Die Realisierungschancen für ein solches Rückhaltebecken sind aber ebenso wie für eine Öffnung der Verrohrung und Renaturierung des Aubachs bei Forstseeon und zwischen B304 und Einmündung in das Moos eher als gering einzuschätzen, weil die Regulierung und der Unterhalt des Aubachs eine Pflichtaufgabe der 1934 gegründeten öffentlichen "Genossenschaft zur Entwässerung bei Forstseeon" ist. Diese hätte aber von den vorgeschlagenen Maßnahmen keinen Nutzen und dürfte und würde daher auch kein Geld dafür ausgeben – und die Gemeinde ist auch nicht zuständig, weil diese Entwässerungsgenossenschaft, die 1956 in den Wasserverband Forstseeon (ein sog. Wasser- und Bodenverband) überführt wurde, immer noch besteht und handlungsfähig ist.

Im Jahr 2014 wurde daher zunächst die Planung für die Öffnung von weiteren 70 m des Rohrabschnitts östlich von Osterseeon angegangen; es wurden dafür rund 100.000 EUR veranschlagt.

Die Erdarbeiten, die im April 2015 begannen, offenbarten aber rasch einige Planungsmängel. So meldete die ausführende Baufirma schon bald, dass sich im nördlichen Hang Risse gebildet hätten. Die anhaltenden Regenfälle Ende Mai/Anfang Juni führten dann dazu, dass Teile dieses Hangs auf einer Breite von rund 20 Metern abrutschten und den bereits geöffneten Lauf des Seeoner Bachs wieder versperrten. Eilig wurde eine Pumpe und ein Notstromaggregat herangeschafft, um das sich aufstauende Wasser des Seeoner Bachs abzupumpen. Nach längerem Überlegen entschied man sich dann, aus Kostengründen den Bachlauf über eine Strecke von 30 Metern erneut zu verrohren, da eine bauliche Stabilisierung des Hang zu teuer gewesen wäre.

Aus den eingesehenen Akten kann man nur den Schluss ziehen, dass vor allem Versäumnisse des Planers, aber auch eine ungenügende Kontrolle seitens des Kirchseeoner Bauamts ursächlich für den eingetretenen Schaden waren – denn offenbar wurden zu keinem Zeitpunkt Rammkernsondierungen im Bereich der beidseitig freizulegenden Hänge gemacht. Daher wurde die Inhomogenität des Bodens und das Vorhandensein einer ausgedehnten, aber instabilen Sandlinse nicht erkannt. Wegen der unzureichenden Informationen über den Bodenaufbau können bei ungünstigen Witterungsverhältnissen weitere Rutschungen der sehr stark geneigten Hänge nicht ausgeschlossen werden – auch auf dem südlichen Hang wurden im Juli schon Risse beobachtet.

Diese Versäumnisse sind umso erstaunlicher, als es sich bei dem Gelände in Osterseeon um das Ostufer des eiszeitlichen Kirchseeoner Sees handelt und instabile und inhomogene Bodenschichten aus Sand und Mergel aus anderen Uferbereichen längst bekannt sind. Sicherlich erinnern sich viele Kirchseeoner noch daran, dass auch die Deutsche Bahn AG beim Bahnausbau in den 1990er Jahren leidvolle und teure Erfahrungen mit den instabilen Bodenverhältnissen im südlichen Uferbereich des ehemaligen Sees machen musste.

Entferntes Rohrleitungsstück aus der Entwässerungsleitung in Osterseeon beim Öffenen des Rohrgraben BA2

Scheinbar hat man sich von Seiten Bürgermeister Ockels und des Bauamtsleiters Florian Ernst auch zu wenig Gedanken darüber gemacht, dass sich die Erbauer in den 1920er Jahren bewußt für den Bau einer teuren Rohrleitung entschieden haben und den Graben nicht einfach offengelassen haben, obwohl dies wesentlich weniger aufwendig gewesen wäre - der Grund war wohl ganz simpel: den Bauherren war damals angesichts der Bodenverhältnisse völlig klar, dass ein offener Graben mit dieser Hangneigung niemals stabil sein könne. Es ist wohl der Hybris der heutigen Verantwortlichen geschuldet, anzunehmen, dass früher alle dumm waren und man es heute besser weiß und sich einfach über Naturgesetze hinwegsetzen könne. Für diesen Irrtum mußte teures Lehrgeld gezahlt werden.

Die Kirchseeoner Steuerzahler erwarten nun gespannt, ob die Gemeindeverwaltung die Verantwortlichen für die Mehrkosten des verunglückten 2. Bauabschnittes der Rohröffnung in Regress nehmen wird.

Angesichts des bevorstehenden 10-Millionen-Schuldenbergs, den Bürgermeister Ockel und der Gemeinderat in Kürze für den Bau des sog. Kinderhauses, der Schulhausaufstockung und für ein teures ATSV-Sportlerheim anhäufen werden, erwarten die Kirchseeoner Steuerzahler aber auch, dass die Grundeigentümer im Moos an den bereits angefallenen und künftigen Kosten für den Unterhalt der Entwässerung im Moos angemessen beteiligt werden, bevor die Grundsteuer und andere Abgaben und Steuern noch weiter erhöht werden. Auf eine Regressmöglichkeit angesprochen, bejahte dies jedenfalls die Regierung von Oberbayern in dem bereits erwähnten Antwortschreiben vom 11.02.2015: "Kosten der Gewässerunterhaltung kann eine Gemeinde im Rahmen der Art. 26, 27 BayWG nach dem Prinzip der Nutzenmehrung und der Schadenswehr - unter Beachtung der allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze - auf die Beitragspflichtigen umlegen."


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