![]() |
Kirchseeon-intern.de - Wissens- und Sehenswertes aus Kirchseeon |
|
Mai 2025 Wohin mit dem vielen Sonnenstrom?Gefördert durch staatliche Exportsubventionen überschwemmt die chinesische Solarzellenindustrie seit einigen Jahren den Weltmarkt mit billigen Photovoltaik (PV)-Panelen, um ihre Überproduktion loszuwerden. Abnehmer fanden und finden sich vor allem in Europa, so auch im "Sonnenland" Bayern, zumindest solange die Dumpingpreise fortbestehen. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) berichtet, dass hier von Januar bis März 2025 die installierte PV-Leistung um ca. 800 Megawatt (MWp) angewachsen ist - die Leistung eines kleineren Atomkraftwerks. Insgesamt wird derzeit bayerischer PV-Strom mit einer Leistung von bis zu 28 Gigawatt (GWp) erzeugt. Zum Vergleich: das entspräche der Leistung von etwa 20 Atomkraftwerken (AKW) - in Bayern waren einst 6 AKW in Betrieb, die allerdings Strom nicht nur bei Sonnenschein lieferten.Der PV-Ausbauboom machte auch an den Grenzen des Landkreises Ebersberg nicht Halt: die hier installierte Leistung verdoppelte sich in den letzten 5 Jahren. Bis Ende März 2025 waren gemäß Marktstammdatenregister der BNetzA im Landkreis rund 12.000 betriebsbereite PV-Anlagen mit einer Gesamtnennleistung von 160 MWp angemeldet. Etwa die Hälfte davon waren Kleinanlagen einschließlich "Balkonkraftwerken" mit einer Leistung bis zu je 7 kW. Zusammen leisten diese aber nur rund 19 MWp und tragen so zu etwa 12% zur Gesamtleistung bei. Deutlich überschätzt wird der Beitrag der Freiflächen-PV-Anlagen von gerade mal 13 MWp - ein Anteil von nur 8% an der Gesamtleistung. Mit dem Bayernwerk-Energiemonitor steht den Kommunen seit einiger Zeit ein Werkzeug zur Visualisierung der gebietsbezogenen Einspeiseleistung der verschiedenen Stromerzeugungsanlagen im Vergleich zum Stromverbrauch zur Verfügung. Für ca. 2-3000 EUR/Jahr erhält eine Kommune aber keine präzisen Messdaten, sondern nur pauschalierte - und immer wieder erratische - Abschätzungen. Trotz der Kinderkrankheiten verdeutlicht der Energiemonitor, dass die PV-Anlagen im Landkreis bei "weiß-blauem" Himmel regelmäßig über viele Tagesstunden bei weitem mehr Strom als die hier verbrauchten 50-80 MW erzeugen. Die Beiträge von Windenergie und von Biogas sind im Vergleich dazu "Peanuts". ![]() Diese "PV-Stromschwemme" ist nicht auf den Landkreis Ebersberg beschränkt. Die wachsenden mittäglichen PV-Stromüberschüsse bereiten allen Netzbetreibern erhebliche Kopfschmerzen, denn sie gefährden immer häufiger die Netzstabilität. Wer im Physikunterricht aufgepasst hat, weiß, dass in einem Stromnetz nie mehr Leistung eingespeist werden kann als zum gleichen Zeitpunkt verbraucht wird. Bei zuviel angebotener PV-Leistung versucht der Netzbetreiber zunächst, den Überschussstrom im europäischen Verbundnetz abzusetzen. Falls sich selbst für negative Preise kein Abnehmer findet, bleibt nur die Zwangsabschaltung dieser Anlagen. An der Strombörse gab es im Jahr 2024 bereits an 457 Stunden negative Preise, meist PV-bedingt in den Mittagsstunden in den Monaten April bis September. Das hört sich nach wenig an, betrifft aber schon fast 25% der knapp 2000 Sonnenstunden pro Jahr bzw. ein Drittel der erzeugten PV-Strommenge. Die Zeche für Negativpreise und die Abschaltungen zahlten bisher nicht etwa die Anlagenbetreiber als Teil ihres unternehmerischen Risikos, sondern die Stromkunden, was zu immer höheren Strompreisen und verständlicherweise zu immer mehr Protesten führte. Zum Ende der gescheiterten Koalition von SPD, Grünen und FDP war die Not schon so groß, dass Bundestag und Bundesrat noch rasch am 31. Januar bzw. am 14. Februar 2025 das Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen beschloss. Für neue PV-Anlagen entfällt künftig in Zeiten negativer Börsenstrompreise bei der Einspeisung ins öffentliche Netz die EEG-Vergütung. Und um das Netz stabil zu halten, müssen Anlagen mit mehr als 7 kW Leistung künftig durch den Netzbetreiber abschaltbar sein. Laut Bayernwerk würden notfalls zuerst die Freiflächen-PV-Anlagen, dann die PV-Dachanlagen über 100 kW abgeschaltet werden. Die Gesetzesänderungen schaffen für Neuanlagen einen Anreiz, in Zeiten negativer Preise nicht ins Netz einzuspeisen, sondern Eigenverbrauch zu betreiben oder den Strom zur späteren Nutzung oder Einspeisung einspeichern. Der Ausfall von EEG-Vergütungen bei negativen Strompreisen und zunehmende Abschaltungen erschweren wegen ihrer Folgen auf den Cashflow auch die Kalkulation von Neuanlagen und das gestiegene Insolvenzrisiko betrifft auch Bürgerbeteiligungen. Insbesondere Freiflächen-PV-Anlagen dürften künftig ohne Batterie-Großspeicher nicht mehr wirtschaftlich betreibbar sein, da die Zahl der Stunden mit Negativpreisen aufgrund des ungebremsten PV-Zuwachses weiter ansteigen dürfte. Doch trotz dieser Auswirkungen der Gesetzesänderung scheint diese in den Kommunen bisher nicht angekommen zu sein. Denn nach Auskunft des Landratsamts und des Eberwerks sind Batteriespeicher bisher nur in zwei (Grafing Bhf.: ca. 6-8 MWh, Pliening ca. 20 MWh) der derzeit zehn weiteren geplanten Freiflächen-PV-Anlagen (Gesamtleistung rund 70 MWp) vorgesehen. Beide werden vom Eberwerk mitgeplant, das laut Geschäftsführer Markus Henle "nun verstärkt im Bereich Batteriespeicher unterwegs" sein will - kein Wunder, denn bisher könnten diese den Landkreis nur eine einzige Nachtstunde lang versorgen. Für was haben die Kommunen das Eberwerk gegründet, wenn sie dessen Expertise nicht nutzen? Nachtrag vom 01.05.2025: Der aktuelle langandauernde Stromausfall auf der iberischen Halbinsel soll nach derzeitigen Einschätzungen durch fehlende Batterie-Großspeichern, die die bei hohen PV- und Windeinspeisungen auftretenden Netzinstabilitäten hätten dämpfen können, mitverursacht worden sein. Dieser Artikel ist eine fortgeschriebene Fassung der in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft Mai 2025, erschienenen Erstversion. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm oder auf "Der Oberbayer" ![]()
|
© 2011-2025 · L. Steininger · ![]() |