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März 2020
Wahlplakate in Kirchseeon 2020

Die neuen Geschäftsführer

Die Flut an Wahlplakaten an den Straßen zeigt unübersehbar, dass wir uns in der Endphase des Wahlkampfes für die Kommunalwahlen am 15. März befinden. Mehr Parteien und Wählergruppen sowie Bürgermeisterkandidaten als in der vorangegangenen Periode suchen die Gunst der Wähler zu gewinnen.

Wir haben uns die Bürgermeisterkandidaten in Ebersberg, Grafing und Kirchseeon näher angeschaut und um die Beantwortung eines Fragenkatalogs gebeten. Etwa die Hälfte hat teilweise sehr ausführlich die Fragen nach fachlicher Qualifikation, zum Amtsvorgänger, zu Haushalt und Finanzen, zu Transparenz und Klimaschutz in der Kommune beantwortet.

Welche Aufgaben hat ein Bürgermeister? Die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Bayerische Gemeindeordnung), entstanden im Jahr 1952, sieht im Bürgermeister nur noch eine Art Geschäftsführer. Die negativen historischen Erfahrungen mit der vordemokratischen Deutschen Gemeindeordnung von 1935, in der die Befugnisse und Stellung des Gemeindeleiters im Sinne des Führerprinzips organisiert war, führten zu diesem Umdenken. Der Bürgermeister sollte fortan nicht mehr der "Führer" sein, der über alles alleine entscheidet.

Zumindest in Kirchseeon aber scheint es, dass die Eigensicht und Eigendarstellung des Bürgermeisters eher von vor- und außerdemokratischen Vorstellungen geprägt ist, wie bei "König Udo". Es befremdet sehr, erleben zu müssen, dass es einigen Gemeinderäten völlig unklar zu sein scheint, was ihre Aufgabe und Verpflichtung in diesem Gremium ist. Denn sechs Jahre lang bis zum kurz vor den Wahlen ausgebrochenen "Antragsfieber" legte man die Hände in den Schoß, stellte keine Anträge und vertraute, dass der "Führer" es schon richtig macht. Anstatt den "König" zu kontrollieren, was eigentlich ihre Pflicht wäre, haben sich die eingeschüchterten Kirchseeoner Gemeinderäte durch Änderung der Geschäftsordnung auch noch selbst entmachtet und ihm freiwillig und ohne Not praktisch unbegrenzte Vollmacht eingeräumt - fast wie weiland der Reichstag am 24. März 1933.

In einer Demokratie ist die Ortspolitik aber oberste Aufgabe des Gemeinde- bzw. Stadtrats, die Bürgermeister stehen diesem nur als "Erster unter Gleichen" vor und haben dessen Beschlüsse umzusetzen. Der Gemeinderat hat den Bürgermeister und die Verwaltung zu kontrollieren. Als fassungsloser Zuschauer des tragischen Schauspiels in Kirchseeon fragt man sich, weshalb jemand zum Führen eines Pkw oder eines Hundes eine Prüfung abzulegen hat, aber für das verantwortungsvolle Amt eines Gemeinderat nicht die geringsten Kenntnisse darüber erforderlich zu sein scheinen, was die Aufgaben und Pflichten eines Gemeinderats sind.

Ein idealer "kommunaler Geschäftsführer" mit Verantwortung für 50-100 Mitarbeiter und einem Budget von mehreren Dutzend Millionen Euro müsste daher viele fachliche und personelle Qualifikationen mitbringen. In den Profilen vieler Kandidaten finden diese aber erstaunlicherweise kaum Erwähnung, statt dessen dominieren große politische Versprechungen, die aber nur mit einer Mehrheit im Gemeinde- bzw. Stadtrat umsetzbar wären – diese dürfte den meisten aber fehlen.

Zu welchen Problemen fachliche Defizite führen können, thematisiert Christian Bauer, Bürgermeisterkandidat der Grafinger CSU und derzeit Kämmerer in der Stadtverwaltung der amtierenden Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). Er wirft ihr vor, dass es ihr nach 6 Jahren immer noch am rechtlichen Verständnis von Kommunalverwaltung fehle, es daher an der Zielorientierung mangele und die Mitarbeiter durch fehlende klare Vorgaben demotiviert seien.

Große Meinungsunterschiede zwischen den Kandidaten spiegeln die Antworten auf die Fragen zu den Gemeindefinanzen wider. So spricht sich Christian Bauer deutlich für eine Entlastung der Kommunen durch Senkung der Kreisumlage aus, denn "der Landkreis hat viel zu viele freiwillige Aufgaben an sich gezogen". Bei der Umsetzung der Grundsteuerreform in der kommenden Amtsperiode lehnt er, genauso wie Alexander Gressierer (Ebersberg, CSU) und Klaus Seidinger (Kirchseeon, UWG) eine Erhöhung des Gesamtaufkommens der Grundsteuer zu Lasten der Bürger ab. Angelika Obermayr und Domenico Ciccia (Kirchseeon, parteilos, SPD-Kandidat) hingegen wollen eine Mehrbelastung nicht ausschließen – die zu Lasten der Mieter und der kleinen Häuslebesitzer ginge.

In Sachen Transparenz und Bürgerinformation hat Grafing die Messlatte für die Nachbarkommunen sehr hoch gesetzt. Sowohl Angelika Obermayr wie ihr Herausforderer Christian Bauer wollen das weitgehend beibehalten. Die Räte in Ebersberg, Kirchseeon und Zorneding tun sich mit Transparenz hingegen weiterhin sehr schwer.

In Zorneding besteht seit kurzem ein Minimalzugang zum Ratsinformationssystem (RIS), den Bürgern werden aber nur die Tagesordnungen und Niederschriften der Sitzungen, aber keine Sitzungsunterlagen zur Verfügung gestellt. Der Stadtrat Ebersberg hat schon vor längerer Zeit ein RIS angeschafft, der Bürger bleibt aber ausgesperrt. Alexander Gressierer will an dieser restriktiven Praxis nur wenig ändern.

Auch der Kirchseeoner Gemeinderat hat sich ein RIS angeschafft. Am 18.11.2019 wurde ein Antrag der Fraktion der Grünen, dieses für die Bürger zu öffnen, von der Mehrheit aus CSU und UWG abgelehnt. Im Wahlprogramm der UWG findet sich folgerichtig kein einziges Wort zum Thema Transparenz und Bürgerbeteiligung und wie sich die von der CSU im "Kirchseeonplan" versprochene "Transparenz in Gemeinderat und Verwaltung" mit dieser Ablehnung verträgt, bleibt unerklärt. Innerhalb der UWG scheint es aber unterschiedliche Meinungen zu geben, da uns Klaus Seidinger antwortete: "Die Öffentlichkeit könnte sich ebenfalls zeitgleich mit den Räten über die Tagesordnungspunkte und Beschlussvorschläge auf unserer Homepage informieren."

Es scheint, dass jeder unter "Transparenz und Offennheit [sic!]", für die Andrea Oberhauser-Hainer (Kirchseeon, Grüne) ausdrücklich wirbt,
Wahlplakate Andrea Oberhauser-Hainer in Kirchseeon 2020
etwas anderes versteht: vor einigen Jahren hatte sie im Gemeinderat bei einer Auftragsvergabe verschwiegen, dass auch das Angebot der Firma eines Familienmitglieds zur Beratung und Abstimmung stand. Dafür erhielt sie durch den Gemeinderat in der Sitzung vom 2.11.2015 einen nachträglichen "Rüffel":

Beschluss Nr. 263
Abstimmungsergebnis 17 : 0
Der Marktgemeinderat stellt fest, dass MGRin Oberhauser-Hainer in der Sitzung vom 13.04.2015 gegen §27 Abs. 2 Satz 1 und 3 der Geschäftsordnung verstoßen hat und entgegen Art. 49 Abs. 1 GO BY an der Beratung und Abstimmung zu Beschluss-Nr. 182 teilgenommen hat.


Und der Wasserbeschaffungsverband Buch, bei dem sie engagiert ist, wehrt sich mit Händen und Füßen gegen die Einsicht von außen.

Unter Transparenz versteht man aber, dass dem Wähler alle Informationen zur Verfügung gestellt werden, damit er seine Wahl sachgerecht treffen kann. Dahin scheint noch ein weiter Weg zu sein.

Dieser Artikel erschien in einer gekürzten Fassung in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft März 2020. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm

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