Kirchseeon-intern.de - Ortsgeschichte - Kirchseeon 1933-1945 - Personen: Fritz Litzlfelder


Ortsgeschichte - Kirchseeon 1933-1945 - Personen

Fritz Litzlfelder, 1. Bürgermeister 1956-1960

Quellen:
Wolfram Selig, "Arisierung" in München, Die Vernichtung jüdischer Existenz 1937-1939, Metropol-Verlag Berlin 2004, ISBN: 3-936411-33-6


Auszug aus Wolfram Selig, "Arisierung" in München (Wiedergabe mit frdl. Genehmigung des Verlags):

Fa. Julius Levi OHG
Inhaber: Elise Levi
* 16.1.1868 Fellheim - emigr. 31.3.1939 Südafrika
Max Levi
* 10.10.1891 München, +14.4.1943 Theresienstadt

Die Firma Julius Levi OHG stellte in der Schwanthalerstraße 29/II u. III Wirk- und Strickwaren her und betrieb auch Großhandel mit Woll-, Kurz-, Wirk- und Strickwaren. Im Sommer 1938 beschäftigte der Betrieb noch 15 Angestellte und 80 Heimarbeiter.
Im Frühjahr 1938 weigerte sich die Firma Levi, "im Zuge der Durchführung der 5. Anordnung vier Angestellte über 40 Jahre aufzunehmen [...], mit der Angabe, daß vom Gewerbeamt aus neue Gewerbelegitimationskarten für die beschäftigten Reisenden nicht mehr ausgestellt werden". Das Arbeitsamt, mit der Durchführung der besagten Anordnung beauftragt, wollte vom Gewerbeamt wissen, ob die Firma Levi mit dieser Behauptung Recht habe. Das Gewerbeamt bestätigte, dass für die drei von ihm namentlich genannten jüdischen Reisenden der Firma Levi zwar Anträge auf Erneuerung der Gewerbelegitimationskarte liefen, "mit deren Abweisung ist jedoch zu rechnen". Dass die Gewerbelegitimationskarten ohne gesetzliche Grundlage vorenthalten wurden, verschwieg man natürlich.
1937 hatte die Firma Julius Levi die ebenfalls jüdische Firma Guldmann & Co. gekauft. Langjähriger Reisender für beide Firmen war Friedrich Litzlfelder. Obwohl "Arier", wurde auch ihm durch Oberbürgermeister Fiehler wegen seiner Tätigkeit für jüdische Firmen im Frühjahr 1938 die Erneuerung der Gewerbelegitimationskarte verweigert, mit der Begründung der "Unzuverlässigkeit", wie man sie sonst jüdischen Bewerbern unterstellte. Noch ehe der Ablehnungsbescheid zuging, hatte Levi den Antrag auf eine Gewerbelegitimationskarte für seinen Reisenden Litzlfelder wieder zurückgezogen. Nachdem dann ca. eine Woche später der Ablehnungsbescheid eingetroffen war, erhob die Firma Julius Levi durch ihren Anwalt Einspruch gegen diesen Bescheid: Da das Gesuch schon zuvor zurückgenommen worden sei, hätte eine Entscheidung zur Sache nicht zugestellt werden dürfen. Der Anwalt legte in seinem Einspruch dar, dass Litzlfelder ohne Begründung als unzuverlässig bezeichnet worden sei. Diesen "Makel" wollten Levi und Litzlfelder loswerden, sicher vor allem im Hinblick auf die beabsichtigte Übernahme der Firma Guldmann & Co. durch Litzlfelder, die einem "Unzuverlässigen" wohl nicht genehmigt worden wäre. Ob die Beschwerde Erfolg hatte, geht aus den Akten nicht hervor, ist aber anzunehmen, da Litzlfelder zusammen mit seinem Bruder Guldmann & Co. übernehmen konnte.

Auch für Max Levi, Mitinhaber der Firma Julius Levi, wurde von Oberbürgermeister Fiehler die Neuausstellung der Gewerbelegitimationskarte wegen angeblicher Unzuverlässigkeit verweigert. Max Levi ließ sich das nicht gefallen und beantragte "verwaltungsrechtliche Entscheidung". Er führte aus: "Wie Sie aus beiliegender Aufstellung meines Kriegsranglistenauszuges ersehen, war ich Frontkämpfer und habe mich vor dem Feinde ausgezeichnet. Es widerstrebt mir sehr, solche Dinge zu erwähnen, da ich sie eigentlich bisher für selbstverständlich hielt, jetzt bleibt mir nichts anderes übrig." Aus der Kriegsrangliste ging u. a. hervor, dass Max Levi im Oktober 1918 zum Leutnant der Reserve befördert worden war. In einem weiteren Schreiben meinte Levi: "Gegen diese Annahme [der Unzuverlässigkeit] wende ich mich auf das Nachdrücklichste, sie findet in den Tatsachen keinerlei Stütze." Nie sei er politisch tätig gewesen, seit August 1914 im Feld gestanden, u. a. mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet worden und nach dem Krieg Mitglied der Münchner Einwohnerwehr gewesen. Die Firma wolle er im Übrigen in der nächsten Zeit verkaufen.

Interessent für die Übernahme der Firma Levi war Josef Steiner aus Memmingen, der angesichts der dortigen Konkurrenz von fünf Firmen seiner Branche "gelegentlich der Arisierung" eine "mittlere Großhandlung" in München kaufen wollte. Im Kaufvertrag gestand Steiner zu, dass das "Wollverarbeitungskontingent", Fabrikationsaufträge und die Kundenkartei der Fabrikationskunden dem Käufer der Firma Guldmann & Co. überlassen würden. Auf Aufforderung der Industrie- und Handelskammer fand sich Steiner auch bereit, den "Vormalszusatz" nur längstens ein Jahr zu führen. Den Wert der zu übernehmenden Waren gab er mit 75 000,- RM an. Aus einer der Industrie- und Handelskammer übersandten Liste geht hervor, dass die Firma Levi im Sommer 1938 noch 15 Personen beschäftigte, darunter auch zwei jüdische Reisende. Steiner versicherte, dass er für einen der Reisenden "bereits einen arischen Herrn engagiert" habe, bat aber, den anderen noch bis Ende September 1938 weiterbeschäftigen zu dürfen, "um mich bezüglich der Kundschaft zu unterrichten Unter den von der Kammer genannten Bedingungen befürwortete auch der Arbeitskreis für Judenangelegenheiten diese "Arisierung", wollte aber gewährleistet wissen, dass Steiner seine gleichartigen Betriebe in Memmingen und Ulm in einer Firma mit Sitz in München zusammenfasse. Im Genehmigungsbescheid forderte demnach auch die Regierung von Oberbayern, dass Steiner die zu arisierende Firma längstens für ein halbes Jahr selbstständig weiterführen dürfe und sie dann der Firma Steiner einzuverleiben habe. Die Weiterbeschäftigung des jüdischen Reisenden wurde untersagt. Auf sein Gesuch wurde dem Käufer aber im Oktober dann doch ausnahmsweise genehmigt, "daß er den jüdischen Verkäufer bis Ende Oktober, soweit unbedingt erforderlich, zu unentgeltlicher Rat- und Auskunftserteilung beiziehen" dürfe. Am 20. Oktober 1938 meldeten die Inhaber der Firma Levi mit Wirkung vom 10. September ihr Gewerbe ab.

Zwischen Steiner als Nachfolger der Firma Julius Levi und Litzlfelder als Käufer von Guldmann & Co. kam es in der Folgezeit zu erheblichen Differenzen, da Litzlfelder bemüht war, zwei jüdische Reisende noch einige Zeit weiterbeschäftigen zu dürfen.
Elise Levi konnte im Frühjahr 1939 nach Südafrika emigrieren, Max Levi verstarb nach der Deportation im April 1943 in Theresienstadt.


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