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Ortsgeschichte - Berichte vom Kriegsende
Ende des 2. Weltkriegs, Einmarsch der Amerikaner - Augenzeugenberichte
Bericht von Pfr. Kainzmaier aus Zorneding vom 28. Juli 1945
Berichterstatter: Pfarrer Andreas Kainzmaier (1936-1947 Pfarrer in Zorneding, gestorben am 29. August 1963)
Datum: 28. Juli 1945
1. Allgemeine Auswirkungen des Krieges
Der unheilvolle über 5 Jahre dauernde Krieg hat sich natürlich auch im seelsorglichen
Leben nachteilig ausgewirkt.
Der größte Teil der wehrfähigen Männer und Jungmänner (schätzungsweise
über 500) stand im Heeresdienst, andere wurden als Dienstverpflichtete in
kriegswichtigen Betrieben eingesetzt. Ein Teil der männlichen und weiblichen
Jugend wurde zu militärischen Hilfsdiensten herangezogen. Der seit
Oktober 1944 aufgestellte "Volkssturm", welcher die noch in der Heimat befindliche männliche Bevölkerung im Alter von 15 bis 60 Jahren erfaßte, nahm
meist den Sonntagvormittag zum Abhalten von Appellen und Übungen in
Anspruch, so daß sich das Fehlen der männlichen Bevölkerung bei den Sonntagsgottesdiensten
immer mehr bemerkbar machte. Noch dazu wurden gegen
Ende des Krieges die Gottesdienste und Andachten durch die immer häufiger
werdenden Fliegerangriffe sehr oft gestört und behindert. Auch die Abhaltung
eines geregelten Schulunterrichtes wurde durch die zahlreichen Fliegeralarme
unmöglich gemacht.
Die geforderte Mehrleistung an Arbeit trotz verringerter Zahl an Arbeitskräften,
der zum Teil erzwungene, zum Teil freiwillige Verzicht auf Sonntags- und
Feiertagsruhe, die verlängerte Arbeitszeit in den Betrieben, die Sorge um die
im Felde stehenden Männer und Jungmänner, die vielen Meldungen von
Todesopfern des Krieges, dieses alles und manche andere kriegsbedingte
Erscheinungen stellten physische und seelische Belastungen dar, welche auch
die religiös-sittliche Sphäre des Lebens ungünstig beeinflußten.
Durch den Zuzug von evakuierten Familien, insbesondere aus München und
Münster in Westfalen, und durch die Hereinnahme von ausländischen
Arbeitskräften - neben kriegsgefangenen Franzosen, Russen und Serben waren
ca. 200 Polen (Männer, Frauen und Kinder) und ca. 100 Holländer zu Notstandsarbeiten
eingesetzt - wurden die verschiedenen Schichten der Bevölkerung
noch mehr vermischt, so daß der homogene Charakter der Pfarrgemeinde
immer mehr verschwand.
2. Verursachte materielle Schäden an Kirchen
Durch gelegentliche Fliegerangriffe in der näheren Umgebung wurden vor
allem Schäden an den Fenstern und Bedachungen der verschiedenen Kirchen
angerichtet, so insbesondere große Fensterschäden an den Kirchen von Zorneding
und Pöring, die wegen ihres großen Ausmaßes bis heute noch nicht
behoben werden konnten. Ferner an den Kirchen von Baldham, Harthausen,
Möschenfeld und Neukirchen, deren Lücken einstweilen durch Bretterverschalungen
notdürftig geschlossen wurden. Auch die Dachschäden an den
Kirchen zu Zorneding und Möschenfeld konnten zum großen Teil wieder ausgebessert
werden. Neue Fensterschäden entstanden noch nach Beendigung des
Krieges an den Kirchen von Zorneding, Harthausen und Pöring durch den
Luftdruck, der durch die im Juni und Juli erfolgten Munitionssprengungen
in der Nahe von Siegertsbrunn verursacht wurde.
3. Vorgänge beim Einmarsch der Amerikaner
Am 30. April 1945 (Vorabend vor dem Einmarsch der Amerikaner) erlebte
Zorneding seinen letzten schweren Fliegerangriff, wobei ein großes Bauernanwesen
vollständig zerstört wurde und das daneben stehende Gemeindehaus
niederbrannte. Unglücklicherweise fand dabei der Besitzer des Bauernhauses
den Tod, während in der Ortschaft Eglharting eine verheiratete Frau durch
Bordwaffenbeschuß getötet wurde. Schon einige Tage vorher waren mehrere
Häuser in der Nähe des Bahnhofes durch Fliegerangriff zerstört worden.
Das Gebiet der Pfarrgemeinde Zorneding wurde am Nachmittag des 1. Mai
1945 von den amerikanischen Truppen besetzt, nachdem schon am Vormittag des gleichen Tages den von
Richtung Haar her anfahrenden Amerikanern
mitgeteilt worden war, daß Zorneding nicht verteidigt wird und daß die
gegen Mitte April aufgerichteten Panzersperren vor und in Zorneding beseitigt
wurden. Nur zwischen Wolfesing und Ingelsberg (1/2 Stunde von
Zorneding entfernt) entspann sich ein kleineres Gefecht zwischen einer
amerikanischen Panzerabteilung, die von Schwaben her gegen Zorneding
anrückte, und zwischen einer SS-Abteilung, die sich am Tage vorher in den
beiden Ortschaften und in dem in der Nähe befindlichen Ebersberger Forst
eingenistet hatte. Dabei wurde ein Bauernhof in Ingelsberg in Brand geschossen,
auch in die Ortschaft Zorneding fielen einige Treffer, die außer Mauerschäden
und Fensterschäden (namentlich am Pfarrhof) keine größeren Zerstörungen
verursachten. Kleinere versprengte SS-Abteilungen, die noch am
30. April nach Zorneding kamen und die Bevölkerung wegen Hissens der
weißen Flagge bedrohten und einschüchterten, sind am Morgen des
1. Mai wieder abgezogen, so daß die Übergabe der Ortschaft reibungslos vor
sich gehen konnte.
Wie die meisten Häuser der Ortschaft Zorneding war auch das Pfarrhaus an
den ersten 3 Tagen des Monats Mai voll besetzt von amerikanischen Soldaten.
Während in den anderen Häusern, die von amerikanischen Soldaten besetzt
wurden, keine deutschen Zivilpersonen in denselben verbleiben durften,
wurde im Pfarrhaus ein Zimmer für den Pfarrer und den Kooperator freigelassen.
Die Amerikaner verhielten sich gegenüber den beiden Geistlichen sehr
korrekt und entgegenkommend. Abgesehen von der Beschränkung der Ausgehzeit
waren die Gläubigen im Besuch der Gottesdienste und Andachten
nicht behindert. Am Morgen des 3. Mai besuchten ca. 30 amerikanische Soldaten
in der Pfarrkirche zu Zorneding die hl. Messe und empfingen während
derselben die hl. Kommunion, nachdem ihnen die Generalabsolution erteilt
worden war.
Am Abend des 1. Mai wurde in Zorneding ein Pole, der nach Beendigung der
Ausgehzeit noch auf der Straße war und nach Anruf eines amerikanischen
Wachpostens die Flucht ergriff, in einem Bauernhaus, in welches er sich flüchtete,
erschossen. Er wurde einige Tage später auf dem Zornedinger Friedhof
in aller Stille kirchlich beerdigt. Sein Name ist im Totenbuch der Pfarrei Zorneding eingetragen.
In der Kirche zu Möschenfeld wurde die an der Außenmauer befindliche Eingangstüre
zu der zur 1. und 2. Empore der Kirche führenden Wendeltreppe
von amerikanischen Soldaten gewaltsam erbrochen, vermutlich, um nach
eventuell in der Kirche verborgenen Waffen zu suchen. Plünderungen in der
Kirche selber fanden nicht statt.
4. Plünderungsaktionen
Während sich die amerikanischen Truppen keiner größeren Plünderung
schuldig machten - kleinere fehlende Gegenstände gehen auf Konto "Kriegsrecht
der ersten Tage" und "Souvenirs an die Kriegszeit!" - setzten schon am
2. Mai ausgedehnte Plünderungsaktionen der fremdländischen Arbeiter,
namentlich der Polen, ein, die nun tagelang in Zorneding und in den umliegenden
Ortschaften herumzogen und besonders bei den Familien und Geschäftsinhabern,
bei welchen sie in den vorausgegangenen Monaten und Jahren
nicht gut behandelt wurden, alles wegnahmen, was sie erreichen konnten
(Kleidungsstücke, Eßwaren, Fahr- und Motorräder, Autos, Wohnungseinrichtungsgegenstände,
Geldbestände etc.). Auch Lagerbestände von Münchener
Firmen, die ihre Waren hier zum Schutz vor Fliegerangriffen verlagert hatten,
kamen dabei schwer zu Schaden. Bedauerlicherweise haben sich dabei
auch einige einheimische Leute verschiedene Gegenstände aus eingelagerten
Waren angeeignet. Eine rühmliche Ausnahme machten bei diesen Plünderungen
die hier anwesenden Holländer, die sich an denselben überhaupt nicht
beteiligten und sich auch sonst sehr korrekt benahmen.
Sämtliche Kirchen der Pfarrgemeinde und auch das Pfarrhaus blieben von
Plünderungen verschont, nur der Leichentransportwagen, welcher im Pfarrhofstall
hinterstellt war, wurde entführt - vermutlich von den Polen zum Abtransport
ihrer geplünderten Beutestücke - und konnte nicht mehr ausfindig
gemacht werden.
Im Kellerraum der Wohnung des H.H. Kammerer Johann Kufner in Buch,
Pfarrei Zorneding, wurden am 30. April von durchziehenden SS-Soldaten
ca. 12 Liter Meßwein gestohlen.
Eine gewisse Beruhigung der Bevölkerung trat erst Mitte Juni ein, nachdem
der größte Teil der hier zusammengezogenen ausländischen Fremdarbeiter abtransportiert
worden war.
5. Sammellager für deutsche Kriegsgefangene
Wenige Wochen nach Kriegsende wurden in verschiedenen Orten der Pfarrgemeinde
Sammellager für deutsche Kriegsgefangene eingerichtet, so in Pöring,
Baldham, Buch und Eglharting, deren Not durch freiwillige Spenden
der einheimischen Bevölkerung gemildert wurde.
Die Ortschaft Zorneding selber blieb für amerikanische Truppen reserviert,
welche auch heute noch hier in 2 Gasthäusern ihr Dauerquartier haben.
Quelle:
Bericht der Pfarrei Zorneding, in: Peter Pfister (Hg.): Die Kriegs- und Einmarschberichte im Archiv des Erzbistums München und Freising (Schriftenreihe des Archivs des Erzbistums München und Freising, Band 8), München 2005, Seite 381-384
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