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Ortsgeschichte - Berichte vom Kriegsende

Ende des 2. Weltkriegs, Einmarsch der Amerikaner - Augenzeugenberichte
Bericht von Pfr. Dr. Fuchs aus Grafing vom 10. August 1945

Berichterstatter: Pfarrer Dr. Johann Fuchs (1942-1949 Pfarrer in Grafing, gestorben 21. Januar 1961 in Altötting)
Datum: 10. August 1945

In den Abendstunden des 1. Mai fuhren die ersten amerikanischen Panzerwagen in unseren Ort ein. Der Markt wurde von einer Abteilung der FAB kampflos übergeben. Ein vorausgehender Versuch, den Pfarrkirchturm für militärische Zwecke zu benützen — ein SS-Mann wollte sich den Aufgang zum Turm erzwingen - wurde durch H.H. Benefiziat {Josef} Rathspieler verhindert. Die eigentliche Besetzung des Marktes erfolgte sodann am 2. Mai.

Im Laufe der folgenden Tage wurden 2 große Weinlager ausgeplündert. Ein unbekannter Russe starb dabei an den Folgen der Berauschung und wurde sofort am Straßenrand verscharrt. Am 16. Mai wurde die Leiche in den Friedhof überführt und durch H.H. Benefiziat Rathspieler kirchlich beerdigt. Seine Personalien konnten nicht mehr festgestellt werden. In den nächsten Tagen wurden dann noch eine Reihe einheimischer Geschäfte vollständig ausgeplündert.

Am 4. Mai wurde ein 17jähriger Bursche, der seit 25. April 1945 bei der Waffen-SS war, von einem betrunkenen Amerikaner aufgespürt, geschlagen und zuletzt erschossen. Die Leiche wurde von Polen ausgeplündert und bei der Dobbelkapelle verscharrt. H.H. Benefiziat Rathspieler hat nachträglich noch am Grabe die Gebete der kirchlichen Beerdigungsliturgie gesprochen. Ausweispapiere konnten auch bei diesem Toten nicht gefunden werden. Beide genannten Todesfälle wurden im pfarrlichen Totenbuch eingetragen.

Am 15. Mai kamen 2 Grafinger Buben (3 und 10 Jahre alt) durch Explosion einer aus dem Wasser gezogenen Eierhandgranate ums Leben.

Vereinzelte Ausschreitungen sexueller Art wurden gerüchtweise gemeldet. Kirchliches Eigentum wurde in der genannten Zeit weder entwendet noch beschädigt. Kircheneigene Gebäude oder Wohnungen der Geistlichen und Klosterfrauen wurden von der amerikanischen Besatzung nicht in Anspruch genommen. Auch sonst verhielten sich die amerikanischen Besatzungstrupp der Kirche gegenüber taktvoll.


Quelle:
Bericht der Pfarrei Zorneding, in: Peter Pfister (Hg.): Die Kriegs- und Einmarschberichte im Archiv des Erzbistums München und Freising (Schriftenreihe des Archivs des Erzbistums München und Freising, Band 8), München 2005, Seite 577



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