Kirchseeon-intern.de - Ortsgeschichte - Berichte vom Kriegsende


Ortsgeschichte - Berichte vom Kriegsende

Ende des 2. Weltkriegs, Einmarsch der Amerikaner - Augenzeugenberichte

Bericht von Dr. Georg Hacker, Leiter der Heilstätte Kirchseeon, im Schreiben an den Landrat vom 3. November 1945
(Fundstelle: Spruchkammer Ebersberg, StAM K 3994 Hacker Georg)


"In den letzten Wochen vor dem Zusammenbruch erachtete ich es als meine verdringlichste Pflicht, der völlig nutzlosen und wahnsinnigen Verlängerung des Krieges in meinem Wirkungskreise nach Möglichkeit entgegenzutreten. Als ohne mein vorheriges Wissen in Kirchseeon mit dem Bau von Panzersperren begonnen wurde, verfügte ich sofort nach Kenntnisnahme die Einstellung des Baues und beharrte dabei auch gegenüber der Kreisleitung Ebersberg der NSDAP. Einige Tage darnach bestellte mich der Kreisleiter Windstetter nach Ebersberg, wo er mir im Auftrage des Gauleiters Gießler mitteilte, dieser werde jede weitere gegen die Panzersperren gerichtete Action [sic!] in Kirchseeon als eine von mir begangene bzw. verschuldete defaitistische Handlung betrachten und dementsprechend gegen mich vorgehen. Nun wurden auf Befehl des Kreisleiters die Panzersperren fertig gebaut. Da ich inzwischen von dem Zugführer H. des Volksturms Kirchseeon die vertrauliche Mitteilung erhalten hatte, er denke gar nicht daran mit seinen Männern die Sperren zu verteidigen und auch die Volkssturmmänner der anderen Züge würden allenfalls nur gegen Ihre [sic!] eigenen Führer vorgehen, unternahm ich zunächst keine weiteren Schritte. Zwei Tage vor der Ankunft der amerikanischen Truppen jedoch erteilte ich auf eigene Verantwortung dem Bürgermeister Berger in Kirchseeon die Weisung, die Panzersperren sofort zu beseitigen, was auch augenblicklich unter dem Jubel der Bevölkerung geschah. - Meine nächste Aufgabe war die Säuberung des Ortes von Truppen des Heeres und der SS. Dabei war ich ganz allein auf mich gestellt, meist nur von einem Autofahrer begleitet (San.Fdw. M. o. K. , z.Zt. Abersberg, dabei.) Unter anderem konnte ich eine SS-Batterie, die bereits im Garten des Anwesens Murr (Kirchseeon-Dorf) mit einem Geschütz in Stellung gegangen war, nach langem, zeitweilig sehr erregtem Hin- u. Her zum Abzug zwingen. Andere SS-Abteilungen verjagte ich beim Plündern oder aus ihren widerrechtlich besetzten Quartieren (so z.B. vom Gut des Barons Seckendorf u. vom Wirt Eisenschmidt in Kirchseeon-Dorf."

Bericht von Dr. Georg Hacker, Leiter der Heilstätte Kirchseeon, im Schreiben an den Vorsitzenden der Spruchkammer Ebersberg vom 15. August 1946
(Fundstelle: Spruchkammer Ebersberg, StAM K 3994 Hacker Georg)


"6. In den letzten Tagen vor dem Zusammenbruch erschienen wiederholt Trupps der SS vor meinem Hause. Am 30.IV.45 wollten sie - von der Ortngruppenleitung kommend - in mein Haus [Anm: Ecke Wasserburger Straße/Talweg), angeblich um das Telephon wegzuholen. Am 1.V. wollte ein Trupp in Stärke von ca 15 Mann wiederum in mein Haus, um es zur Verteidigung einzurichten. Beide Male vertrieb ich mit Hilfe von nur 2 bis drei Mann meiner San.Staffel und mit schußbereiter Waffe, die SS. Nach Kirchseeon-Dorf wurde ich wiederholt zur Hilfe herbeigerufen. Zulezt gelang es mir noch am 1.V. vormittags eine Batterie SS aus Kirchseeon-Dorf zu verjagen. Dabei gab es stundenlange heftige Auseinandersetzungen mit den Angehörigen der Batterie, die dann unter wüstem Geschimpfe und lauten Drohungen abzog. Unter ihr erkannte ich auch einige der Leute, die schon tags zuvor in mein Haus eindringen wollten. Wie ich später erfuhr, bezog dann die Batterie außerhalb meines Dienstbereiches bei Egglburg Stellung. Von hier aus wurden am Nachmittag desselben Tages 5 Artillerieschüsse auf mein Haus abgegeben. Zwei Geschosse landeten auf der Wiese davor, zwei auf der Wiese daneben und das letzte Geschoß schlug auf der Landstraße dich[t] am Zaun meine[s] Anwesens ein. Es kann sich dabei nicht um das Einschießen auf einen evt. herankommenden Feind gehandelt haben, denn als die amerikanischen Panzer dann wirklich herankamen, da fiel kein einziger Schuß mehr, die tapfere SS-Batterie war längst getürmt. Es hat sich demnach bei den auf mein Haus abgegebenen 5 Schüssen zweifellos um einen Racheakt gehandelt, als Entgelt dafür, daß ich die Batterie aus Kirchseeon vertrieben hatte. Daß in diesem Falle keine schwere Schädigung für mich zustande kam und mein Haus nicht in Grund u. Boden geschossen wurde, lag bestimmt nicht in der "guten" Absicht der Schützen!"


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